Lüneburg, am Samstag den 26.04.2025

Zwei neue Dörfer in der Stadt

von Carlo Eggeling am 30.11.2022


Unterkünfte für Flüchtlinge an besonderen Plätzen. Und schon jetzt ist klar, es reicht nicht

Die Stadt brauchte länger als andere Gemeinden, Container zu ordern, um Flüchtlinge unterzubringen. Nun stellt sie zwei Anlagen auf: eine für 150 Menschen am ESV-Sportplatz an der Bockelmannstraße, eine für 200 Personen zwischen Sülzwiesen und Weißem Turm. Die erste Siedlung liegt neben der Kläranlage und dem Tierheim. Also dem Ort, an dem die Stadt und umliegende Gemeinden ihre Abwässer riechbar entsorgen.

Der zweite Platz an den Sülzwiesen liegt auf den Parkplätzen, auf denen viele Pendler, die in der Innenstadt arbeiten, ihre Wagen abstellen. Es geht um 108 Stellflächen, die Hälfte kostenfrei. Das Areal liegt aber auch neben dem sozialen Brennpunkt Weißer Turm und am Fördergebiet soziale Stadt mit einer -- wie in Kaltenmoor -- eigens eingerichteten Stelle einer Quartiersmanagerin. Was wiederum bedeutet, dass die Verwaltung um die Örtlichkeit und ihre Probleme weiß. Bislang galt die Regel: In solchen Bereichen keine Flüchtlingsunterkunft. Darüber liest sich nichts in der städtischen Pressemitteilung.

Die Hütten aus Metall sollen auch die Notunterkünfte entlasten. Bekanntlich hat Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch drei Turnhallen zu Schlafstellen umfunktioniert, eine im Grimm, zwei im Hanseviertel. Dazu besteht eine Bleibe im Roten Feld, in einem alten Uni-Gebäude.

Notunterkunft klingt nach kurzer Unterbringung. Deshalb eine Anfrage an die Verwaltung: Wie lange leben die Menschen dort durchschnittlich? Es gibt keine konkrete Antwort auf diese Frage, sondern eine ausweichende: "Wir können leider keine Aussage dazu treffen, wie lange wir die Notunterkünfte benötigen, auch nicht, wann jeweils ein Umzug etwa in eine reguläre Gemeinschaftsunterkunft oder noch besser in eine Wohnung möglich sein wird." Das sagt, das man auf nicht absehbare Zeit Schlafstellen benötigt, aber nicht wie lange Menschen dort leben müssen.

Dazu muss man wissen, dass in den Hallen im Hanse-Viertel Zellen abgeteilt wurden, mit Bauzäunen und durch Folien von einander getrennt. Acht Personen pro Boxen, vier Spinde, Tisch und Stühle. Eine Zelle neben der anderen.

Wie oft ist es der Satdt gelungen, Personen anderen Wohnraum anzubieten? Die Antwort: "Eine Vermittlung vor allem in eine Wohnung ist nur selten möglich. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist bekanntermaßen sehr angespannt. Sobald Plätze in bestehenden bzw. neuen Gemeinschaftsunterkünften zur Verfügung stehen, sollen dort zunächst Menschen aus den Notunterkünften untergebracht werden. Unsere Bereich Soziales und Integration hat hier einen Blick auf besonders belastete Personen." Belastet dürften eigentlich alle sein, die so leben müssen. Die neuen Unterkünfte sollen laut Stadt Mitte Februar zu nutzen sein.

Die Verwaltung mache bei der Nationalität der Flüchtlinge keine Unterschiede. Und: "Die Stadt vermietet selbst keine Wohnungen. Wenn wir ein Wohnungsangebot erhalten, schlagen wir mögliche Personen / Familien vor, abhängig z.B. von der Größe der Wohnung. Bei den Vorschlägen haben wir – ebenso wie bei den Zuzügen in unsere Gemeinschaftsunterkünfte – das soziale Miteinander im Blick."


Denn die Stadt hat nach dem Vorbild des ebenfalls grün regierten Hannovers ein Prämiensystem eingerichtet: Vermieter, die Wohnungen an Flüchtlinge abgeben, erhalten eine finanzielle Belohnung. Der neue Sozialdezernent Florian Forster erkennt offenbar selbst, dass hier eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstehen kann -- samt politischem Sprengstoff. Denn Einheimische mit geringem bis normalem Einkommen haben bekanntlich ebenfalls Schwierigkeiten, eine Bleibe zu finden.


Forster sagt in einer Presseerklärung der Stadt: „Wir wissen, dass es auch kritische Stimmen gibt, die die Wohnraumoffensive als ungerecht empfinden." Denn auch viele Lüneburger hätten mit dem angespannten Wohnungsmarkt zu kämpfen. Gleichzeitig sei die Stadt aber in der Pflicht, von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen unterzubringen. "Die Wohnraumoffensive ist hier eine vorübergehende Lösung, um die Not für die Geflüchteten abzumildern." Zur Dauer ist nichts zu lesen.

Offenbar zeigt das Programm nur überschaubar Wirkung: "Die Anträge für den Zuschuss sind erst seit kurzem abrufbereit und können daher erst jetzt – rückwirkend ab Oktober – gestellt werden", heißt es. "Seit Beginn der Wohnraumoffensive zum 1. Oktober haben wir acht Wohnungen vermitteln können, bei weiteren sechs Wohnungen steht die Stadt in Gesprächen mit privaten Vermieter für einen Besichtigungstermin."

Die Dramatik zeigt sich, wenn man auf Anfang November zurückblickt. Claudia Kalisch hatte in der Sitzung des Rates Zahlen genannt: "Insgesamt werden uns bis März weitere 880 Geflüchtete zugewiesen Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Stadt 630 Flüchtlinge untergebracht, die Hälfte stamme aus der Ukraine. In der Turnhalle im Grimm gab es noch 75 freie Plätze, weitere in anderen Unterkünften.

Wenn nun Platz für 350 Menschen geschaffen wird, ist schon jetzt absehbar: Es reicht nicht. Für mindestens 500 fehlt dann ein Dach über dem Kopf. Carlo Eggeling

Die Bilder entstanden, als das THW die Hallen im Hanse-Viertel hergerichtet hat. Bis zu 300 Menschen sollen hier Platz finden, eng an eng. Verantwortlich zeichnen Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch und Sozialdezernent Florian Forster.

© Fotos: ca


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