Lüneburg, am Samstag den 26.04.2025

Wirt von der Schröderstraße will halbe Million zahlen + Stadt zögert

von Carlo Eggeling am 22.03.2024


Der Mann hat Schulden in Millionenhöhe beim Finanzamt und bei der Stadt Lüneburg, jetzt bietet er an, eine halbe Million Euro zu zahlen. Mit dem Betrag sollen dann alle Forderungen beglichen sein und er wäre -- aus seiner Sicht -- quasi unbelastet. "Ich habe Mist gebaut, bin verurteilt worden, jetzt soll ein Ende sein", sagt der 55-Jährige. Das Geld könne er auftreiben, weil ihm Verwandte und Freunde beiständen. Es wäre eine Art Resozialisierung. Aber klar ist auch: Nehmen Fiskus und Rathaus das Angebot nicht an, dürfte höchstwahrscheinlich kein Cent fließen.
Einfädeln soll den Deal ein Lüneburger Rechtsanwalt. Der Jurist sagt, er habe sich vor Monaten an die Stadt gewandt, erst jetzt komme langsam Bewegung in die Sache. Fraglich sei allerdings seines Wissens nach, ob die Verwaltung die Politik über das Angebot informiert habe.
Nachfrage im Rathaus, die Antwort liest sich staubtrocken: "Zutreffend ist, dass im Bereich des Forderungsmanagements mandantierte Rechtsanwälte an die Hansestadt Lüneburg herantreten und einschlägiger Schriftwechsel anhängig ist."

Doch aus Sicht der Verwaltung ist die Sache nicht so einfach, das bestätigen auch Fachleute. Kurz: Gebe es mehrere Gläubiger, müssten alle dem Vorgehen und einer Einigung zustimmen und sie mittragen. Das bedeutet, Finanzamt und Stadt müssten sich auf eine Linie einigen. Das sieht man auch im Rathaus so: "Die Hansestadt Lüneburg pflegt einen konstruktiven Kontakt zum Finanzamt Lüneburg. Das Finanzamt Lüneburg stellt jedoch einen eigenständigen Gläubiger dar und ist durch den jeweiligen Schuldner oder dessen mandatierten Vertreter einzubinden."
Dem Vernehmen nach ginge der Löwenanteil, wohl um die 400 000 Euro, an die Behörde. 100 000 blieben bei der Stadt. Angeblich sind allein die offenen, also städtischen, Gewerbesteuern in Summe fünf- bis sechsmal so hoch. Daraus lässt sich ablesen, was das Finanzamt offen haben dürfte. Kommentieren will das niemand.
Berücksichtigen muss man aber auch, dass die Summe immer weiter wächst -- Zinsen.
Der Rechtsanwalt: "Einerseits ist allein die Zinslast so groß, dass der Mann dagegen allein nicht einmal ansatzweise erfolgversprechend wird anarbeiten können. Dies bedeutet im Ergebnis, dass er und auch zumindest seine engere Familie sich lebenslang pfändungsfrei wird einrichten müssen, was ihm in den vergangenen Jahren erfolgreich gelungen ist."
Die Geschichte war Stadtgespräch. Vor Jahren kontrollierten die Finanzbehörden den Wirt von der Schröderstraße, schnell war klar, er hatte doppelte Buchführung nicht ganz rechtskonform verstanden und einiges an der Steuer vorbeigeschleust. Der Kneipier machte lange Urlaub im Ausland, Zielfahnder spürten ihn auf, das Gastland verweigerte eine Auslieferung. Doch der Wahl-Lüneburger wollte zurück an die Ilmenau. Ein prominenter Anwalt fädelte eine Lösung ein, der Wirt zahlte 500 000 Euro. Heimreise nach Deutschland. Es folgten Strafverfahren, am Ende stand eine Bewährungsstrafe.
Inzwischen arbeitet der Mann als Angestellter in seinem ehemaligen Lokal, der Verdienst liegt unterhalb der Pfändungsgrenze. Er hat ein Insolvenzverfahren hinter sich. Das Ergebnis war unter den amtlichen Bekanntmachungen nachzulesen: Da er keine Restschuldbefreiung erhalten hat, hat er also gegen "Mitwirkungs- und Wohlverhaltenspflichten" verstoßen. Es dürfte wohl auch kein Geld geflossen sein.
Der Jurist erklärt, Finanzamt und Stadt müssten abwägen, ob sie auf einem rechtlichen Standpunkt beharren oder ob sie eine Einnahme erzielen wollen. Wörtlich: "Auch aus Sicht der Stadt und insbesondere aus der Perspektive des Steuerzahlers ist das Verhalten nicht nachvollziehbar. Offensichtlich ist die Forderung gegen den ehemaligen Wirt derzeit und auch auf absehbare Zeit vollkommen wertlos. Ganz im Gegenteil wird die Stadt zusätzliche Kosten für die Verwaltung der Forderung und erfolglose Vollstreckungsversuche aufwenden. Auf der anderen Seite kann sie die Angelegenheit gegen Zahlung einer wirklich namhaften Summe mit einem äußerst positiven Ergebnis - immerhin etwa 20 Prozent der Hauptforderung, was gerade angesichts der Summe ein riesiger Erfolg ist - erfolgreich zum Vorteil des Steuerzahlers und zum Ausgleich des maroden Haushalts vereinnahmen. Vereinfacht gesagt würde sie gleich Geld erhalten anstatt die nächsten 30 Jahre weitere nicht unerhebliche Kosten für eine objektiv wertlose Forderung zu produzieren, ohne auch nur die ansatzweise berechtigte Hoffnung besitzen zu können, auch nur einen Euro zu erhalten."
Der Wirt sagt, das Angebot seiner Familie währe natürlich nicht ewig. Die Verwaltungsspitze kann allerdings nicht alleine entscheiden, sie muss die Politik fragen. Darauf weist die Verwaltung hin: "Die formale Einbindung des Rates der Hansestadt Lüneburg regelt die hier einschlägige „Richtlinie der Stadt Lüneburg zur Festlegung der Geschäfte der laufenden Verwaltung“, die vom Rat der Hansestadt Lüneburg am 25.11.2021 beschlossen wurde."  

Der Kneipier von der Schröderstraße war damals nicht der einzige mit einer kreativen Buchführung, auch andere Gastronomen und Schausteller mussten nach Ermittlungen ordentlich Steuern nachzahlen. In einigen Fällen, so erzählt man sich in der Szene, wechselten Eigentumsverhältnisse innerhalb der Familie, andere wurden von Chefs zu Angestellten mit geringem Einkommen. Auch da dürften gewisse Steuerschulden nicht ausgeschlossen sein.

Doch wie schaut es generell mit säumigen Zahlern aus? Die Stadt nimmt Stellung:
„Die Hansestadt Lüneburg unterscheidet keine Schuldner nach Person oder Branche. Es werden durchschnittlich rund 18.000 Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen je Jahr versendet. Hierbei handelt es sich um die Anmahnung von öffentliche-rechtlichen und privatrechtlichen Forderungen. Darüber hinaus vollstreckt die Hansestadt Lüneburg im Rahmen der Amtshilfe u.a. auch Rundfunkgebühren, Handwerkskammerbeiträge etc. Im Bereich der Gewerbesteuer belaufen sich die in den unterschiedlichen rechtlich vorgeschriebenen Forderungsstufen befindlichen offenen Forderungen aus dem endabgerechneten Jahr 2022 auf rund 2,3 Prozent des Gewerbesteueraufkommens.“  Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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