Warum ist der Marienplatz wichtig? Ein Blick auf die Woche
von Carlo Eggeling am 05.10.2024Meine Woche
Platzgewinn
Einer der langweiligsten Plätze der Stadt spielt seit ein paar Jahren eine aufregende Rolle: der Marienplatz. Warum? Zwei Dutzend Stellplätze für jedefrau samt ein paar Behindertenparkplätzen, dazu Ladesäulen für E-Autos, auch Lastenräder können hier eine Pause machen vom Dasein als Eltern-Taxi für die Kleinen, die in die nahe Kita gehen. Doch inzwischen mutieren die paar Hundert Quadratmeter Asphalt zwischen Rathaus, Ratsbibliothek und Rundlauf in die Altstadt zum Kampflatz der Lüneburger Verkehrswende.
Die Verteidigungslinie sagt: Die Parkplätze müssen bleiben, raus aus dem Auto und dann freier Lauf für freie Senioren. Die Formation Attacke glaubt "Parksuchverkehre" und damit dräuende Gefahr für Radfahrende und Zufußgehende verschwänden, wenn auf dem Areal eine Grüne Oase XXL entstünde. Mit solchen Oasen kennt die Verwaltung sich aus, die am Luna-Brunnen muss wieder verschwinden. Denkmalschutz.
Gucken wir auf das, was bisher am Marienplatz geschah: Workshops, Kreativtage, Zeltlager. Das Projekt Zukunftsstadt 2030, das sich unter anderem mit dem Platz beschäftigte, war eine große geldverbrennende Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die papierreich Ideen produzierte, aus denen nichts geworden ist. Auf dem Marienplatz eine Mischung aus Holzhackschnitzeln und rostender Klangschale, dazu -- passend zum ehemaligen Kloster in der Nachbarschaft --Traktate, die zur Umkehr aufriefen.
Voller guter Absicht das sogenannte Klima-Camp, das den Platz hochpolitisch in einen kostenlosen Campingplatz ummodelte. Es blieben viele Tetrapaks für Hafermilch im gelben Sack, sowie ausrangierte Möbel, welche die Stadt als Sperrmüll entsorgte. Es gab Diskussionen für die eigene Klientel, um gemeinsam das Weltklima zu verbessern. Konkret entstand nichts.
In dem Hickhack um den Platz, der mittendrin und doch ab vom Schuss ist, fühlt sich die als ewig nörgelnd geltende SPD angegriffen. Sie schlägt einen Wettbewerb für "Freiluftgestalter:innen" vor. Hat das was mit Luftikus zu tun? Was für Kapriolen.
Dabei hat die Bauverwaltung nunmehr andere Ecken ausgemacht für "Es ist Zeit für was Neues". Der Schrangenplatz sähe ohne Pavillon viel besser aus, findet man. Die Zeichnung ist großartig, Bäume, spielende Kinder, Wasserspiel. Wasserspiel, da traut sich das Tiefbauamt was. Wir erinnern uns an den Glockenhof. Die neue Sprinkleranlage kam später, weil zu spät bestellt, in diesem Sommer verstopften die Düsen irgendwie. Hatte man ja schon am Sand erlebt, kann passieren. Das Gesetz der Serie.
Ich bin mir sicher, der neue -- das ist echt wichtig -- konsumfreie Ort umrahmt von den Straßencafés der Schröderstraße, wird mega. Auch die kleine Fläche Am Berge in Höhe der Rasierzentrale soll anders werden. Man fragt sich, warum, weil es ist doch schon jetzt nett, wenn man dort Platz nimmt. Aber das ist vermutlich kleinlich.
Mein Kollege Hans-Herbert Jenckel hat auf den Lambertiplatz hingewiesen, das große Hundeklo umschattet von Bäumen. Zudem ein Biotop derer, für die das Leben ein großer Rausch ist. Vermutlich liegt dort die Vorstufe für einen sozialpädagogisch sinnvollen Bereich samt Begegnungsstätte, nach dem das Sozialressort Ausschau hält, aber nichts findet.
Alles entscheidend bleibt selbstredend der Marienplatz. Ich hoffe auf die nächsten Wettbewerbe oder einen Bürgerrat, der ähnlich erfolgreich agieren könnte wie bei dem bestaunten Aufbruch für das mit Holschutzmitteln und Asbest verseuchte Glockenhaus. Da läuft ja jetzt jede Menge. Selbstverständlich braucht es ein paar Gutachten zum Marienplatz, denn ohne Expertise läuft mal gar nix.
Mein Vorschlag: Beste Bühne für ein Freiluft-Theater und ein angesagtes Reallabor. Titel: Unser Platz soll schöner werden. Das könnte mit Mitmachaktionen über Jahre laufen. Wenn Vorstellung ist, darf nicht geparkt werden. Das wäre doch ein Kompromiss. Ideen könnten Akteure partei- und initiativenübergreifend für sich reklamieren frei nach Pablo Picasso: "Gute Künstler kopieren, großartige Künstler stehlen." Carlo Eggeling
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