Lüneburg, am Freitag den 18.10.2024

So ein Rummel — aber ohne geht es nicht

von Carlo Eggeling am 26.07.2024


Sascha Kirchhecker kann zupacken, kräftiger Händedruck, Oberarme wie andere Leute Oberschenkel haben. Seinen Rollstuhl bewegt er souverän, aber in seinem Betrieb kann er körperlich nur wenig machen. Der Schausteller und seine Frau Tatjana haben reagiert. Statt ihrer Halle mit Greifautomaten sind die beiden zum ersten Mal mit zwei Boxen auf dem Hamburger Dom vertreten, dazwischen steht ein Kassenhäuschen. "Die Halle wog 24 Tonnen, dafür brauchten wir einen Lkw", sagt Sascha. Die beiden Container könne man mit einem Sprinter ziehen. Kleiner ist feiner.

"95 Prozent dieser Arbeit blieben an meiner Frau hängen. Das geht nicht mehr. Wir werden älter, es geht auf die Gesundheit." Auf dem Heiligengeistfeld haben die beiden Halb-Lüneburger die neue Konstruktion aufgebaut, Handwerker sind dabei, damit die Premiere klappt. "Das dauert jetzt alles, aber wenn es eingespielt ist, kommen wir mit einem Tag aus." Und mit einem Mitarbeiter statt dreien.

Überhaupt das Personal. Egal, wo man hinhört bei den Schaustellern, sie finden zu wenig Frauen und Männer, die bei ihnen arbeiten wollen. Abends, Wochenende, Reisen oder nur für die paar Wochen auf dem Dom -- da stehen Bewerber nicht Schlange. Einige von denen, die es probieren wollen, möchten gern bar auf die Hand bezahlt werden. Was vor langen Jahren in dem ein oder anderen Betrieb ging, ist vorbei: Beschäftigte werden angemeldet. Denn sonst haben Chef und Mitarbeiter ein Problem: Schwarzarbeit. Die Behörden kontrollieren regelmäßig.

Das ambulante Gewerbe, so heißt es offiziell, setzt sich in der Regel aus Familienunternehmen zusammen, seit Generationen. So ist es auch bei Sascha und Tatjana Kirchhecker, beide kommen aus Schaustellerfamilien. Ihr Sohn betreibt den Crêpes -Stand, das zweite Standbein der Familie. Auch er steht auf dem Dom. Das Volksfest nahe St. Pauli ist eine der Haupteinnahmequellen für die Firmen auf Achse. Lange Standzeit, auch unter der Woche Geschäft, kein ständiger Auf- und Abbau. Vor Hamburg stand Goslar an, danach geht es nach Lüneburg zum Oktoberfest.

Bis Ende August arbeiten und leben die Kirchheckers auf dem Dom, ihr Schlaf- und Wohnzimmer samt Küche steht hinter ihrem Geschäft. Sie haben sich anders organisiert, um so weiterzuleben, wie es ihre Familien seit langem tun und weiterhin wollen. Sascha Kirchhecker sitzt seit fünf Jahren im Rollstuhl, eine Krankheit ist die Ursache.

Klar, habe er dunkle Momente gehabt, selbstverständlich fällt vieles schwer, sagt er bei einer Selter. Aber runter vom Platz, irgendwo eine Etagenwohnung? "Nein, wenn ich nicht hier bin, fehlt mir was", erzählt der 49-Jährige. Seiner Frau, ein Jahr jünger, geht es genauso. Der Laden etwas kleiner, aber immerhin auf dem Dom und bei anderen Volksfesten. Wie sollte es anders sein? Carlo Eggeling

++ Der Dom läuft bis zum 25. August; geöffnet ist montags bis donnerstags: 15 bis 23 Uhr, freitags und sonnabends: 15 bis 0.30 Uhr, sonntags: 14 bis 23 Uhr. Jeden Mittwoch lockt der Sommerdom mit vielen ermäßigten Preisen bei Fahr-, Belustigungs- und Spielgeschäften. Die Gastronomie hält preiswerte Angebote bereit.

© Fotos: ca


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