Sie retten das historische Lüneburg — und zeigen wie
von Carlo Eggeling am 14.06.2024Der Reim auf dem Schild am Eingang wirkt etwas bemüht: Die Altstadt wär’ schon nicht mehr da -- ohne den ALA. Doch das Selbstbewusstsein der Botschaft strahlt durch die Ausstellung, die der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt am Samstag um 14 Uhr im Heinrich-Heine-Haus eröffnet -- zu recht.
Ohne Männer wie Curt Pomp, Christian Burgdorff und andere gäbe es viele der 1400 Baudenkmäler Lüneburgs nicht mehr.
Ein halbes Jahrhundert wird der Verein in diesem Jahr alt, die Schau zieht eine Bilanz an einem Ort, der zeigt, wie sich das Bewusstsein verändert hat. Die Geschichte des Hauses reicht bis um 1300 zurück. Aufwendig saniert und restauriert präsentiert es den über Jahrhunderte reichenden Bürgerstolz -- direkt gegenüber dem Rathaus.
Eben dieser Bürgerstolz trägt den ALA. Selbstbewusst trat er gegenüber der Verwaltung auf, wenn es darum ging, Häuser zu retten, die Veränderung der Stadt zu begleiten. Ohne den ALA würde der Alte Kran vermutlich nicht mehr stehen. 1997 war klar, die Konstruktion, die den Kraftprotz trägt, ist verrottet. Das Rathaus kümmerte das nur begrenzt. Vereinsmitglieder packten an, um den Kran standsicher und funktionsfähig zu machen. Überdies steuerte der ALA 93 000 Euro bei, um die Arbeiten zu finanzieren. Nur eins von vielen Beispielen, rund eine Million Euro hat der Verein gegeben, um kleine und große Schätze zu erhalten, von Türklinken über Laternen bis bis zur Gipsmühle am Kalkberg und dem Kapitelsaal des alten Michaelisklosters an der Kreisverwaltung.
1972 als Bürgerinitiative gestartet wandelte er sich zwei Jahre später zum Verein. Curt Pomp, Bildhauer, Goldschmied und Baufachmann gebürtig in Böhmen, hatte es an die Ilmenau verschlagen oder getrieben; er war Geburtshelfer und Motor einer Bewegung, die erkannte, dass die angegammelten Häuser ohne Kanalisation im Schatten von St. Michaelis eine eigene Anmut und überdauernde Eleganz und Kraft besitzen. Sie schafften es, die Ranken und Dornen zu zerreißen, um Dornröschen aus seinem Schlaf zu wecken und wiederzubeleben.
In der Ausstellung finden sich Bilder des jungen Pomp, so wild und schön wie ein Revolutionär. Er steht neben den Pfeilern des Kapitelsaals, die sie ausgegraben hatten. Zeugen des Michaelisklosters. Noch heute sind sie da. Letztes Jahr ist Pomp gestorben, kurz vor seinem 90. Geburtstag. Ein oft ungerechter schroffer Mann, aber einer der wusste, dass eine Vision Wirklichkeit wird -- wenn man kämpft. Der das Glück hatte, einen Diplomaten wie Burgdorff an seiner Seite zu haben, der zwar Salbe für die Wunden verteilt, aber genauso beharrlich kämpft wie sein Freund.
Der Kampf hat sich gewandelt. Vieles hat der Verein geschafft. Heute wirbt Magdalena Deutschmann bei Quartiersabenden für ein anhaltendes Bewusstsein, in den Vierteln Lüneburgs das Alte zu erhalten beim immerwährenden Wandel der Stadt. Beratung für Bauherren, die Denkmalschutz und das Leben in einem uralten Haus verbinden, andere gehören zur Ewer-Mannschaft, die zeigt und mitnimmt, um die Erinnerung an den historischen Salztransport wachzuhalten. Der Vorstand um Inga Whiton und Reiner Netwall beschäftigt sich mit neuen Herausforderungen. Klimawandel ja, aber passen Photovoltaikanlagen und Denkmalschutz zusammen? Welche Aternativen sind denkbar?
Wer schnelle Antworten liebt, sollte einen Moment innehalten, ob der Zeitgeist in seiner vermeintlichen Zwangsläufigkeit gelten muss. Das C&A-Haus ist ebenso ein Beispiel für eine falsche Entscheidung wie der Kaufhaus-Komplex an der Grapengießerstraße, für den vor gut drei Jahrzehnten mittelalterliche Häuser mit der Abrissbirne einer eher seelsenlosen Zukunft wichen.
Einmal blättern im Abriss-Kalender, in dem Adolf Brebbermann mit federfeiner Genauigkeit in den 1980er Jahren dokumentierte, welche Kostbarkeiten der Stadt verloren gingen; er liegt wie eine schmerzende Mahnung in der Schau. Zur Erklärung steht im Kalender 1982, was der Verein möchte und was noch heute gilt: "Verluste dokumentieren, andererseits aufschrecken, nachdenklich machen und die Augen öffnen. Denn trotz eines wachsenden Verständnisses für die Denkmalpflege in der Bürgerschaft, sind noch immer zahlreiche 'Stadt-Zerstörer' am Werk, die sich in der Öffentlichkeit gern als 'Stadt-Erneuerer' feiern lassen." Zumindest diese Geschichte wiederholt sich. Carlo Eggeling
+ + Die Ausstellung eröffnet am Samstag, 15. Juni, 14 Uhr im Heine-Haus. Bis zum 7. Juli ist sie mittwochs, freitags, samstags und sonntags von 11 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.
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