Lüneburg, am Dienstag den 29.04.2025

Nazi-Vergleich — Freispruch bleibt bestehen

von Carlo Eggeling am 03.08.2023


Der Geschäftsführer der Linken in Niedersachsen, Christoph Podstawa, darf einen Lüneburger AfD-Politiker weiterhin einen "Rassisten" und "Nazi" nennen. Das Amtsgericht hatte Podstawa im Juli vergangenen Jahres freigesprochen, die Staatsanwaltschaft hatte in den Äußerungen eine "Schmähkritik" gesehen. Das Urteil hatten die Ankläger zunächst nicht hingenommen und wollten in die nächste Instanz ziehen. Wie jetzt aufgrund einer Nachfrage von Lüneburg Aktuell bekannt wurde, hat die Justiz allerdings einen Schlussstrich unter den Streit gezogen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Jan Christoph Hillmer: "Der Freispruch ist bereits im letzten Jahr rechtskräftig geworden. Ein von Seiten der Staatsanwaltschaft zuerst eingelegtes Rechtsmittel wurde nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe zurückgenommen."

Wie berichtet, waren die beiden damaligen Ratsherren Podstawa und Dirk Neumann von der AfD bei einer Demonstration im Juli 2020 am inzwischen abgerissenen Uni-Bau am Rotenbleicher Weg aufeinandergetroffen. Podstawa, der im damals umstrittenen Wohnprojekt Unfug zu Hause ist, hatte das leerstehende Gebäude gemeinsam mit anderen besetzt, um auf Wohnungsnot und das Vorgehen der Stadt gegen Unfug aufmerksam zu machen.

Im Prozess ergab sich folgendes Bild: Die Polizei kommt, auch Hauptkommissar Neumann ist unter den Beamten, er hat Nachtschicht. Auf dem Weg schiebt Neumann nach eigener Aussage einen Mann von einer Straße, der die Straße nicht freimachen will, als die Beamten mit ihrem Bulli anrücken. Neumann und eine Kollegin schildern vor Gericht, dass Podstawa kurz nach dem Eintreffen der Polizisten Neumann als "Nazi und Rassisten" bezeichnet habe beziehungsweise als Repräsentanten einer Partei aus diesem Spektrum. Der Einsatzleiter der Polizei reagiert schnell, will deeskalieren. Er erteilt Neumann andere Aufgaben, weg vom besetzten Gebäude. Der Hauptkommissar und seine Kollegin müssen später aber wiederkommen: Nach einer Rangelei haben die Beamten einen Mann war in Gewahrsam genommen, Neumann und die Kollegin sollen ihn zur Wache bringen. Erneute Begegnung mit Podstawa, wieder eindeutige Worte. Wieder muss Neumann zügig vom Ort des Geschehens weichen. Einige Tage später schreibt Podstawa einen Artikel auf der Unfug-Seite im Netz. Die AfD sei eine rassistische, völkische und anti-feministische Partei. Zudem prügle ein Ratsherr bei dem Polizeieinsatz "ganz vorne" mit.

Podstawa hatte sich auf seine Meinungsfreiheit berufen, der Staatsanwalt befand, die Äußerungen gingen weit darüber hinaus, seien beleidigend und damit eine Straftat. Der Richter kam zu einem anderen Schluss: Er wertete Podstawas Auftreten durchaus als "krass", aber eben abgedeckt durch Artikel 5 des Grundgesetzes. Er warf einen Blick auf die AfD, die zunächst als Prüf-, später dann als Verdachtsfall vom Verfassungsschutz eingestuft wurde und wird. Er nannte mehrere Zitate von AfD-Politikern, die wenig mit Demokratie zu tun haben: etwa Worte der Bundes-Co-Vorsitzenden Alice Weidel, die auf dem Bundesparteitag 2017 befand, „politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte". Oder den Thüringer Björn Höcke, der zu den mächtigsten Männern der AfD zählt. In einem Interview mit dem Wallstreet Journal soll er den Nationalsozialismus relativiert haben: "Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt. Wir wissen aber natürlich, dass es in der Geschichte kein Schwarz und kein Weiß gibt. Und dass es viele Grautöne gibt." Im Nachhinein hatte der Wahl-Thüringer Höcke diese Worte bestritten.

Wenn man sich den inzwischen aus der AfD ausgetretenen Meuthen, Weidel und Höcke und deren Äußerungen anschaue, sagte der Richter, sei es "nicht an den Haaren herbeigezogen, wenn man das in einen Zusammenhang stellt". Wer sich für diese Partei als Funktionsträger einsetze, wisse, für wen er Politik mache. Aus dem Rat kannten sich Podstawa und Neumann. Der Linke habe den Rechten in eben den größeren Zusammenhang gestellt und nicht nur auf den Einsatz am besetzten Haus abgehoben. "Nazi" sei keine "Formalbeleidigung und Herabwürdigung", der Begriff bezeichne das rechte Spektrum und ordne eine Person eben diesem zu. Ähnlich verhalte es sich mit dem Internet-Artikel Podstawas.

Am Ende ein Freispruch. Und der hat nun Bestand. Carlo Eggeling

Die Fotos zeigen die Polizeiaktion in der Nacht und den Protest am Gericht. Alle Fotos ca

© Fotos: ca


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