Lüneburg, am Montag den 28.04.2025

Moderne Medizin lässt Altbau verschwinden

von Carlo Eggeling am 28.08.2024


Nach 124 Jahren kommen die Abriss-Bagger: In den nächsten Tagen fallen die ältesten Teile des im Jahr 1900 eröffneten Krankenhauses, um Platz für das Mutter-Kind-Zentrum zu machen. In dem neuen Komplex sollen Kreißsäle und Intensivstation enger zusammenrücken, die gynäkologische Ambulanz soll dort ebenso Platz finden wie eine Elternschule und -unterkunft, da Väter und Mütter ihre Töchter und Söhne öfter in die Klinik begleiten -- auch stationär. Am Mittwoch stellte die Führungscrew die Pläne vor: der Ärztliche Direktor, Prof. Dr. Torsten Kucharzik, Geschäftsführer Dr. Michael Moormann und Pflegedirektor Patrick Evel sowie der Bauverantwortliche Ralph Wirth.

Im Klinikum kommen durchschnittlich im Jahr 1900 Kinder zur Welt, Tendenz steigend, weil die Klinik beliebt ist. Die vier Kreißsäle sind überlastet, man rechne jeweils mit 300 Geburten pro Raum und Jahr, künftig sollen sieben Säle zur Verfügung stehen. Besser angebunden werden soll die Notfallmedizin -- bislang müssen kleine Patienten im Notfall über größere Entfernungen verlegt werden. 121 Betten soll das neue Gebäude beherbergen, dazu pflegerische Bereiche, und eben die Versorgung für Kinder und Jugendliche verbessert werden. Alles in allem stehen am Ende rund 17 000 Quadratmeter Fläche für die Zukunft parat. Geschätzte Bauzeit: vier bis fünf Jahre.

Professor Kucharzik griff zu zwei Superlativen, um die Verbesserungen zu beschreiben. Die seien ein "Meilenstein", ein "Quantensprung". Pflegechef Evel erwartet deutliche Verbesserungen für Patienten, Angehörige und Personal.

Eins ist klar, bevor Arbeiter die Baugrube ausheben: Die mit 58 Millionen Euro kalkulierte Bausumme ist nicht zu halten, es dürften -- geschätzt -- 20 bis 30 Millionen mehr werden. Der Grund sei schnell zu erklären, sagte Moormann. Als die Planungen vor einem Jahrzehnt begannen, mussten die damaligen Preise zugrunde gelegt werden. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass am Ende deutlich teurer werde. Die Planer gehen davon aus, dass das Land seine Förderung entsprechend erhöhe, wie in der Vergangenheit geschehen. Stadt und Kreis hätten sich bereits vor Jahren über den sogenannten Lüneburg-Vertrag verpflichtet, jeweils zehn Millionen Euro beizusteuern. Die Finanzierung gilt -- Stand heute -- als gesichert.

Der Chef der Bauabteilung der Gesundheitsholding sagt, dass vor dem Abriss des alten Traktes bereits die Entkernung angelaufen sei. Leitungen, Metallteile, Schadstoffe müssten vorher entsorgt werden, sagt Ralph Wirth. Das Bauen ist eine Herausforderung: Unklar ist, was die Handwerker in der Tiefe erwartet, dazu kommt die Nachbarschaft zur Strahlenmedizin, es müsse sicher sein, dass Behandlungen nicht durch Erschütterungen gestört werden.

Der Denkmalschutz hatte ein Wort mitzureden, hat letztlich den Abbruch genehmigt, weil schon in den vergangenen Jahrzehnten Teile des ursprünglichen Ensembles verschwunden sind. Wirth und seine Kollegen wollen indes Teile des Jugendstil-Treppenhauses retten, Fachleute bauen Säulen und ein mit Ornamenten geschmücktes Oberlicht aus -- in der Hoffnung, dass nichts kaputtgeht, denn wenn der Druck von den tragenden Säulen genommen wird, könnten sie reißen. Die Idee: Die Elemente finden einen neuen Platz im Klinikum.

Auf Patienten, Mitarbeiter und Anwohner kommen Belastungen zu, Lärm, Krach, Lkw-Fahrten -- wie es ist, wenn man baut.

Ist alles fertig, soll auf dem Dach ein "Wehen-Garten" zum Verweilen einladen. Mit einem Augenzwinkern sagt Wirth: "Da werden eher die werdenden Väter stehen und eine rauchen." Auch für Papas ist eine Geburt eine (nervöse) Herausforderung. Carlo Eggeling

Die Fotos zeigen den Trakt, der abgerissen wird, historische Ansichten, den Entwurf des fünfgeschossigen Neubaus und Blicke ins historische Treppenhaus. Quellen: Stadtarchiv, Klinikum, ca

© Fotos: ca, Klinikum, Stadtarchiv


Kommentare Kommentare

Kommentar von Sven Mai
am 28.08.2024 um 19:29:21 Uhr
Der Denkmalschutz gibt hier wieder mal ein ganz armes Bild ab. Schlimm genug dass schon Teile weg sind. Damit aber zu begründen, dass der geschichtsträchtige Hauptkern auch noch dem Erdboden gleichgemacht werden darf, ist einfach erbärmlich.
Der Lüneburger Denkmalschutz lässt seit einigen Jahren sehr zu wünschen übrig und kommt seiner eigentlichen Aufgabe definitiv nicht mehr nach. Gibt es diesen Bereich überhaupt noch oder geht der Genehmigungsstempel für Änderungs- und Abrissgenehmigungen einfach so reihum. Ganz traurig......


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