Mobilität — wohin geht’s?
von Peter Pez Uni am 18.10.2024Geographisches Kolloquium startet
Die Abteilung Geographie bietet an sechs Dienstagabenden im Wintersemester wieder öffentliche
Vorträge zu regionalen und fachlichen Themen. Am 22.10. starten apl. Prof. Dr. Peter Pez und Dr.
Antje Seidel mit einer Zwischenbilanz zur Radverkehrsförderung 3.0 – ein aus Bundesmitteln
gefördertes Projekt in Stadt und Landkreis Lüneburg. Am 5.11. stellt die Geographiedidaktikerin Prof.
Dr. Alexandra Budke von der Uni Köln digitale Online-Lerneinheiten für eine Bildung für Nachhaltige
Entwicklung vor. Am 12.11. geht es noch einmal um Verkehr. Dr. Sina Selzer, Uni Frankfurt, berichtet
über autoreduzierte Quartiere. Ein wirtschaftsgeographisches Thema vertritt am 10.12. Christian
Johann von der BBE-Handelsberatung. Sein Thema „Vom Einkaufstempel zum Mixed-Use-Objekt“
nimmt die Entwicklung von Kaufhäusern bzw. deren Nachnutzungsmöglichkeiten in den Blick. Am
17.12. folgt Tourismusgeographie, die Leuphana-Lehrbeauftragte Dr. Anja Saretzki geht der Frage
nach „Haben Touristen ein Recht auf Stadt?“. Der letzte Abend am 14.1. lehnt sich daran an. Die zur
Leuphana gehörenden Prof. Dr. Ursula Kirschner, Dr. Anja Saretzki, Prof. Dr. Karlheinz Wöhler und
apl. Prof. Dr. Martin Pries stellen ihr Buch zur Hamburger Sternschanze vor, es geht um
Gentrifizierung und Touristifizierung, Protest und neoliberale Verwertungslogik.
Alle Vorträge mit Diskussion beginnen um 18.15 Uhr im Hörsaal 4 der Leuphana Universität, Ende
gegen 19.45-20.00 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Die lange Fassung
Geographisches Kolloquium WS 2024/25 Campus Scharnhorststraße/Universitätsallee 1, HS 4, jeweils dienstags 18.15 – 19.45 Uhr 22.10.2024 Radverkehrsförderung 3.0 – Überholspur oder Abstellgleis? Erfahrungen in der Schlussphase eines mit Bundesmitteln finanzierten Projektes im BMDV-Modellvorha- ben Rad Apl. Prof. Dr. Peter Pez / Dr. Antje Seidel, Leuphana Universität, Inst. f. Stadt- u. Kulturraumforschung 1,8 Mio. € Fördermittel fließen bis 2025 in unsere Region, so viel ist dem Bundesministerium für Digitales und Ver- kehr eine Idee aus Lüneburg wert, die den Titel „Radverkehrsförderung 3.0“ trägt. Barrierefrei, netztransparent und digital lauten die drei inhaltlichen Schwerpunkte. Universität und Landkreis Lüneburg wirken hier erstmals in einer „public science partnership“ zusammen. Die Recherchearbeiten der Universität werden in diesem Jahr abge- schlossen, der Landkreis hat – im Benehmen mit den Kommunen – noch bis 2025 Zeit für die Umsetzung der studentischen Ergebnisse und Veränderungsvorschläge. Was zeichnet sich hierbei ab? 5.11.2024 BNE digital – Bildung für nachhaltige Entwicklung mit online abrufbaren Lernein- heiten Prof. Dr. Alexandra Budke, Universität Köln, Inst. f. Geographiedidaktik Lüneburg war zeitweise der Vorreiter in der geographischen Fachdidaktik – Prof. Dr. Arnold Schultze wies mit "Allgemeine Geographie statt Länderkunde" zu Beginn der 1970-er Jahre einen neuen Weg. Heute ist – nicht nur in der Geographie – die Bildung für nachhaltige Entwicklung der aktuelle Orientierungsrahmen und Digitalisierung von Schulen und Hochschulen ist auch in aller Munde. Das Institut für Geographiedidaktik der Universität Köln hat elf digitale Lerneinheiten als Open Educational Resources zu verschiedenen BNE-Themen für die Hochschulbildung veröffentlicht, von denen Professorin Dr. Budke berichten wird. 12.11.2024 Nachhaltige Mobilität im autoreduzierten Quartier? Dr. Sina Selzer, Universität Frankfurt, Inst. f. Humangeographie, AG Mobilitätsforschung In den 1990-er Jahren träumte man von autofreien Wohngebieten. Weit ist man damit nicht gekommen, aber es gibt auch andere Formen der Reduzierung des Autoverkehrs, die nicht auf einen Verzicht auf das Halten eines PKW setzen. Dr. Selzer hat zu diesem Thema im Rahmen ihrer Promotion geforscht und hierfür den Dissertationspreis des Verbandes für Geographie an deutschsprachigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen (VGDH) erhalten. Sie wird über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Planungsvision und gelebter Alltagsmobilität berichten, woraus Optionen und Hemmnisse für die Umsetzung autoreduzierter Quartiere im Sinne einer Verkehrswende abgeleitet werden können. 10.12.2024 Vom Einkaufstempel zum Mixed-Use-Objekt Christian Johann, BBE-Handelsberatung GmbH Köln Handel ist Wandel – so lautet ein gern zitierter Spruch, wenn die Innovationskraft in diesem wichtigen Bereich der Wirtschaft hervorgehoben werden soll. Aber wenn Standorte mit besonders viel Verkaufsfläche betroffen sind, schmerzt dieser Wandel nicht nur die Eigentümer, sondern auch Vertreter/innen von Politik, Planung und Verbän- den, die um die Wirtschaftskraft der Kommune fürchten. Im „Wheel of Retailing“, einem Theorieansatz schon der frühen 1930-er Jahre, wird der Betriebsformenwandel konzeptionell erfasst. Aus ihm muss man nüchtern konstatie- ren: Kaufhäuser und sogar schon Shopping Center befinden sich auf einem absteigenden Ast. Welcher Wandel zeichnet sich hier ab und wie kann man mit ihm konstruktiv umgehen? Auf Basis eigener empirischer Untersuchun- gen im Rahmen seiner Masterarbeit kann Christian Johann auf eine (überraschend?) breite Palette an Um- und Nachnutzungen verweisen, die zwar nicht „die eine, einfache Patentlösung“ anbieten, aber einen Strauß von Mög- lichkeiten, die zeigen, dass Immobilien nicht brachfallen müssen und sich durchaus neue Optionen für die Attrakti- vität von Städten eröffnen. Institut für Stadt- und Kulturraumforschung 17.12.2024 Haben Touristen ein Recht auf Stadt? Dr. Anja Saretzki, Leuphana Universität, Inst. f. Stadt- u. Kulturraumforschung Städtetourismus boomt. Für die betroffenen Städte hat diese Entwicklung eine Vielzahl von Auswirkungen. Der Tourismus ist in vielen Städten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, trägt zur lokalen Wertschöpfung bei und wird von vielen Gewerbetreibenden begrüßt. Gleichzeitig wächst bei vielen Anwohnern der Frust über Menschenmassen, Verschmutzungen, die Ausrichtung lokaler Angebote an Touristen und steigende Mieten bzw. Gentrifizierung. Vor diesem Hintergrund soll nach dem Recht auf Stadt für Touristen gefragt werden. Ausgehend von Lefebvres Unter- scheidung zwischen dem Gebrauchs- und dem Tauschwert sowie seiner Idee des Rechts auf Stadt wird aufgezeigt, wie ein solches Recht im touristischen Kontext ausgelegt werden kann. Die Suche nach geeigneten Kriterien bleibt in jedem Fall problematisch, da es sich um ein moralisches Recht handelt. Bei der Frage nach den Konsequenzen aus dem Recht auf Stadt werden deshalb abschließend zwei Ansatzpunkte kurz diskutiert: Respekt und Verhaltens- anpassung sowie die Frage danach, wer von der Stadt als Ware profitiert. 14.1.2025 Gentrifizierung und Touristifizierung in der Hamburger Sternschanze Ein Stadtviertel zwischen Protest und neoliberaler Verwertungslogik Prof. Dr. Ursula Kirschner, Dr. Anja Saretzki, apl. Prof. Dr. Martin Pries, Prof. Dr. Karlheinz Wöhler Leuphana Universität, Inst. f. Stadt- u. Kulturraumforschung Die Hamburger Sternschanze gilt als Szeneviertel mit alternativem Lifestyle und hoher gastronomischer Dichte, steht aber auch für Verdrängungsprozesse durch urbane Freizeitansprüche. Auf kleinem Raum lassen sich dort Prozesse beobachten, die unter dem Stichwort der touristischen Gentrifizierung exemplarisch für die Veränderun- gen und Herausforderungen heutiger Städte stehen. Bei der Vorstellung unseres Sammelbandes vereinen wir theoretische Überlegungen zur urbanen Touristifizierung mit empirischen Studien zur Entwicklung von Szenevier- teln, zum New Urban Tourism und den damit einhergehenden Konflikten und lassen dabei arrivierte und Nach- wuchswissenschaftler/innen unterschiedlicher Disziplinen ebenso wie lokale Akteure zu Wort kommen. Institut für Stadt- und Kulturraumforschung Sehr geehrte Gäste unseres Geographischen Kolloquiums, das diesmalige Vortragsangebot ist nach der Corona-Epidemie ein Wiederbeginn und leider auch schon der Schluss – das endgültige Ende nicht nur des Kolloquiums, sondern der Geogra- phie in Lüneburg. Ich bedauere sehr, Ihnen diese Mitteilung machen zu müssen. Schon seit meh- reren Jahren zeichnete sich ab, dass mit dem Ruhestand der beiden letzten verbliebenen Geographen nach Entfall der Stellenprofessur – apl. Prof. Dr. Martin Pries und apl. Prof. Dr. Peter Pez – keine Wiederbesetzung mehr erfolgen würde. Mit dem Eintritt des Ersteren in den Ruhestand zum Herbst 2023 und des Letzteren im Herbst 2025 wird die Geographie an der Uni- versität in Lüneburg aufhören zu existieren. Das heißt nicht, dass es keine Geograph(inn)en an dieser Hochschule mehr gäbe, aber verstreut in Verwaltung und Fakultät Nachhaltigkeit, nicht mehr als Fach oder Institut organisiert. Auch der Minor (= Nebenfach) Raumwissenschaften, den wir mitbegründeten, stellt nur (oder immerhin?) einen Kristallisationspunkt für raumbezogen arbeitende Wissenschaftler/innen dar und ersetzt weder organisatorisch noch in Lehre und Forschung das, was die Abteilung Geographie als Brückendisziplin über Jahrzehnte in Richtung aller Fakultäten leistete. Mit der Bachelorreform der Kulturwissenschaften zum Wintersemester 2024/25 ging bereits unsere fachliche Hauptrepräsentation verloren. Die Kulturwissenschaften sind nicht mehr so angewandt, wie es noch in den 1990-er Jahren in deren Studientitel prangte. Es hat eine Schwerpunktverlagerung zu den hermeneutischen Geisteswissenschaften stattge- funden, die letztlich viele Studienbewerberquantitäten kostete. Damit verbunden war auch je- nes Schließungsschicksal, das uns nun ereilt; zuvor waren bereits die Sozial-/Kulturgeschichte, das Tourismusmanagement und der sozialwissenschaftliche Zweig der Medienwissenschaft ab- gängig. Außerhalb der Fakultät Kulturwissenschaften traf es schon vor Jahren die nicht-lehr- amtsbezogene Sozialpädagogik und zuletzt die Wirtschaftspädagogik im Berufsschullehramt. Downsizing ist angesagt, Rationalisierung, Konzentration auf die Stärken – die kleineren Ein- heiten müssen, präsidial angeordnet, weichen und goutiert wird dies von den Fakultäten, denn um selbst möglicherweise zu wachsen, nimmt man die Kannibalisierung anderer billigend in Kauf. Kurzfristig profitierte die Leuphana in den letzten Jahren erheblich von wachsender For- schungsstärke, insbesondere gemessen an den Drittmitteleinwerbungen. Das ist wirklich be- achtlich, aber ob dies auf Dauer eine (allein) gelingende Entwicklungsstrategie ist oder man durch Verschmälerung der Forschungs- und Lehrbereiche nicht am eigenen, letztlich studenti- schen Ast oder gar Stamm sägt und das Gesamtkonstrukt durch Einschränkung der fachlichen Vielfalt an Resilienz, Kreativität und Innovationskraft nicht zu sehr einbüßt, darüber kann man trefflich streiten. Das Resultat wird die Zukunft erweisen. Wir danken Ihnen für Ihr Interesse an unserer Kolloquiumsreihe in diesem Jahr und in den ver- gangenen Jahren und wünschen Ihnen für diese letzte Vortragsserie anregende Abende.
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