Man ist sich nicht grün bei den Grünen — was man sich so erzählt
von Carlo Eggeling am 20.09.2023Manchen Aktiven des politischen Lebenà der Region gilt er so sympathisch wie Stacheldraht, Wolf von Nordheim. Er sitzt für die Grünen im Stadtrat und im Kreistag. Die Stadtratsfraktion hat ihn nun ausgeschlossen. Dahinter schwelt seit Monaten ein Konflikt, der mit Abbrucharbeiten an der Villa Heyn zusammenhängt. Anruf bei von Nordheim, Antwort: "Versuchen Sie es erst gar nicht." Leitung tot. Fraktionschef Ulrich Blanck antwortet länger und freundlicher: "Wir haben unterschiedliche Auffassung zur Wahrnehmung seines Mandats. Er ist nicht mehr Mitglied unserer Fraktion." Mehr wolle er nicht sagen.
Dass es zwischen dem ehemaligen Uelzener Kirchenmann, der anderen des Öfteren mit biblischer Wucht begegnet, und den Grünen in der Stadt knirscht, ist seit längerem bekannt. Wer mal ein Bier bei Martin Lühmann im Anno 1900 trinkt, bekommt das im Zweifel mit. Denn da tagen die Ratsherren und -frauen gern mal nach einer Sitzung. Ohrenzeugen erzählen, dass von Nordheim erst am Montag nicht gerade freundlich von seinen Parteifreunden gesprochen haben soll. Nicht zum ersten Mal.
Die Geschichte, die von Mithörern und Parteifreunden, sofern das noch das richtige Wort ist, erzählt wird, geht so: Der "Wolf" habe sich in das Thema Villa Heyn verbissen. Bekanntlich hatte Investor Jürgen Sallier einen Wintergarten abreißen lassen. Mit Zustimmung der städtischen Denkmalpflege. Dort soll ein Übergang für einen Neubau entstehen, in dem Veranstaltungen geplant sind. Das Ensemble soll ein Gästehaus der Uni werden. Nun belegen Recherchen des ALA: Das Mauerwerk ist wohl kein später Anbau, sondern wurde kurz nach dem Bau der Villa um die vorvergangene Jahrhundertwende an das gelbe Haus gesetzt. Also eine Einheit.
Wie umstritten das auch sein mag, Sallier hat dafür eine Genehmigung der Stadt erhalten. Weil es sich aber so gut gegen Baulöwen brüllen lässt, schwingt in der Debatte mit, irgendetwas sei schräg gelaufen. Belege dafür liegen meines Wissens aber nicht vor.
Die Erzählung aus dem Dunstkreis der Grünen geht so weiter: Den Wolf habe das nicht ruhen lassen. Die Oberbürgermeisterin soll angeblich erklärt haben, sie habe alles überprüfen lassen. Von Nordheim soll sich Anfang des Jahres an das zuständige Ministerium gewandt haben, Ergebnis: Es liege zwar ein Einwand vor, aber nicht von Claudia Kalisch. Da beide Seiten schweigen, ist das vor Ort schlecht zu überprüfen.
Von Nordheim soll dann gegen Kalisch aber auch gegen die Bauverwaltung argumentiert haben. Er schrieb unter anderem am 28. Juli einen Leserbrief an die LZ, den diese aber nicht veröffentlichte. Der Inhalt ist eine Klatsche für die Verwaltung und letztlich für die eigene Oberbürgermeisterin.
Der Text im Wortlaut:
>> Falsch ist die Behauptung, der abgerissene Teil der Villa sei ein späterer Anbau. Fotos von ca. 1898 und 1901 beweisen das Gegenteil, ebenso die Grundmauern. Fotos und Kellergeschoßzeichnungen liegen der Stadt vor.
Falsch ist die Behauptung, der Teilabriss (zwecks Hörsaalanbau) diene dem Erhalt der denkmalgeschützten Villa. Über eine behauptete Nutzung durch die Leuphana gibt es seit 6 Jahren keinen Vertrag. Für die Wirtschaftlichkeit dieser hypothetischen Nutzung gibt es seit 6 Jahren keinerlei kalkulatorischen Beleg. Beides wird von den Akteuren nicht einmal in Aussicht gestellt, aber von der Stadt als gegeben betrachtet.
Ständig wiederholte Falschbehauptungen können demokratieschädigend zu korrekten Informationen mutieren, wenn nicht deutlich widersprochen wird – daher dies Schreiben.<<
All das kursiert auch in der Partei, die wenig begeistert reagierte. Dem Vernehmen nach gab es Gespräche mit von Nordheim. Tenor: Du weißt schon, dass du gegen uns ins Feld ziehst? Du weißt schon, dass du als Ratsherr der Stadt keinen Schaden zufügen darfst? Das sagt schon dein Mandat. Wo sind die Belege für deine Behauptungen? Was geht die Stadt ein Vertrag zwischen Uni und Sallier an, das ist eine Auseinandersetzung zwischen zwei Vertragspartnern. Wie gesagt, von Nordheim als auch die Grünen kommentieren das nicht.
Von Nordheim soll in einer Fraktionssitzung im August aufgesprungen sein, er wolle austreten. Tat er nicht, es soll eine erneute Ankündigung gegeben haben, die er wieder nicht wahrmachte. Bei den Grünen soll man sich gefragt haben, was soll das? Wenn er gehen will, soll er das tun. Die Folge: ein Stühlerücken in Ausschüssen und städtischen Tochtergesellschaft, kurz: Tschüs, Wolf.
Seit dem 15. September ist er laut Ratsinformationssystem nicht mehr Mitglied der grünen Ratsfraktion. Tschüs, Wolf.
Doch Wolf will offenbar doch nicht Tschüs sagen. Die LZ berichtet heute, dass er offenbar einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hat. Um in der Fraktion zu bleiben? In der Fraktion selber soll man sich fragen: Wozu? Selbst wenn von Nordheim Erfolg haben sollte, stellen ihn die anderen wie in alten Schulzeit den Störenfried in die Ecke -- kein Einfluss mehr. Sollte das nicht reichen, kann sich die Fraktion auflösen und neugründen -- ohne von Nordheim.
Bleibt ihm letztlich sein Mandat im Stadtrat. Allein. Denn wer sollte mit ihm paktieren? Wir sind wieder am Anfang, einige empfinden von Nordheim als so sympathisch wie Stacheldraht: Er hat gegen SPD, CDU und FDP heftig ausgeteilt. Zur AfD dürfte es ihn mutmaßlich kaum ziehen.
Wie bei einem guten Drama üblich, kann es noch einen weiteren Höhepunkt geben: Wolf von Nordheim gehört auch dem Kreistag an. Wenn er sich mit den Lüneburger Grünen überworfen hat, wie geht es dann mit den Grünen im Kreis weiter? Ob es da harmonisch bleibt?
An der Villa Heyn wird übrigens weitergebaut. Sollte irgendeine Behörde darauf pochen, dass der Wintergarten wieder aufgebaut werden müsse, könnte es sehr teuer werden, sagen Fachleute. Für die Stadt. Die habe eine Genehmigung erteilt, der Bauherr könnte Schadenersatz fordern. Ob Herr von Nordheim das bedacht hat? Wie gesagt, Fragen konnte ich ihm nicht stellen. Aufgelegt. Carlo Eggeling
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