Kaltenmoor bekommt es nicht
von Carlo Eggeling am 22.06.2024Meine Woche
Man lacht (mit) Tränen
Das Leben ist eine dauerhafte Komödie, wir lachen allerdings an unterschiedlichen Stellen. In Ratssitzungen kann der Zuhörer zumindest öfter mal schmunzeln -- das Ensemble bietet eine Farce. Der Rat führt am Donnerstag ein derb-komisches Lustspiel auf: Mit großer Zustimmung beschließen die Damen und Herren die Zweckentfremdungssatzung, die besagt, dass kein Wohnraum in Gewerberaum umgewandelt werden darf, und gleich darauf führen Fraktionen ihren eigenen Beschluss ad absurdum: Aus zwei leerstehenden Wohnungen im ökumenischen Gemeindezentrum St. Stephanus sollen Büros und ein bisschen Gruppenraum werden. Rechtlich in Ordnung, ansonsten brüllend komisch.
Was kümmert uns ein alter einstimmiger Ratsbeschluss aus dem Dezember 2018? Dessen Grundlage, erst wird aus der Oedemer Reiterbar ein Dorfgemeinschaftshaus, dann kommt Kaltenmoor dran. Dort leben doppelt so viele Menschen wie in der Randgemeinde mit ihrem umschatteten Haus, das am Ende wohl um die drei Millionen Euro kosten wird und im August, nach zig Verzögerungen, eröffnet werden soll.
Das Hochhausviertel, sonst von der Politik als sozialer Brennpunkt benannt, der unglaublich viel an Sozialarbeit benötige, wird für die ideelle Koalition aus Grünen und CDU fröhlich harmlos zum bunten Stadtteil. Wer auf die Ergebnisse zur Europa-Wahl schaut, könnte allerdings zum Schluss kommen, bunt meint hier eher blau. Die AfD erreicht zum Teil mehr als 30 Prozent, SPD und CDU kommen jeweils auf gut 13 und die Grünen auf sieben Prozentpunkte. Sonst fordern gerade die Grünen immer, es müsse gaaaaanz viel Sozialarbeit und Projekte geben, um die Gefahr von rechts klein zu halten.
Von der CDU als Hüterin des christlichen Abendlands ist zu erwarten, dass sie sagt, Muslime gingen in eine Kirche hinein und hinaus, die müssten und wollten sich doch integrieren. Dass die Grünen das ebenfalls vertreten, lässt ihren Pragmatismus erkennen, selbst wenn sonst gilt, jegliche kulturelle Identität sei zu berücksichtigen. Nö, befindet eine Grüne: Wer gegen die von der Verwaltung vorgeschlagene Variante des Karo einfach stimme, stimme letztlich gegen einen Schritt des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Ich würde sagen, das sollte man sich gut merken. Wie schön, dass grün-schwarz befindet, der Moslem als solcher kann sich mal einfügen. Die Frage liegt nahe, wann das protestantisch-katholische Gemeindezentrum eine Moschee-Abteilung erhält. Da passt sich der christdemokratische deutsche Christ sicher gern an.
Dass die Kirche angeblich zwölf Euro Miete pro Quadratmeter erhält, und damit nach Aussage eines Lokalpolitikers, der die Unterlagen kennt, deutlich mehr als üblich, ist der Großzügigkeit der Stadt geschuldet, die hat's ja bei einem 50-Millionen-Defizit im Haushalt. Der Mietvertrag soll bis zu 20 Jahre gelten. Hat der Kämmerer gut verhandelt. Weil ist ja billiger als ein Neubau an der alten AWo-Kita, der wohl vier Millionen kostet.
SPD und Linke, die lange zu diesem Thema nicht zu hören waren und schließlich wach wurden, haben einen Übergang befürwortet und parallel den Bau eines Stadtteilzentrums angeregt, hatten keinen Erfolg. Nö, sagt die Grüne mit dem ausgeleierten Vorwurf in Richtung SPD, der Alt-OB hätte doch bis 2021 alles umsetzen können, man müsse das nun ausbaden. Gut, die Frau saß noch nicht Rat, als eine Gruppe aus Schwarz, Grün und Gelb ihr Heil darin sah, alles aus dem vermeintlich roten Rathaus zu blockieren. Unter Mädge und seiner Crew wurden die Fördermittel eingeworben, welche die Stadt nicht nutzt und die verfallen.
Heuer haben wir eine Oberbürgermeisterin, die 2021 im Wahlkampf in der Zeitung warb: "Kompetent verwalten, kraftvoll gestalten." So wie in Kaltenmoor eben. Der Chefin ist die Fraktion automatisch nahe. Wenn man die Plätze tauscht und plötzlich mit einer grünen OBin und einem schwarzen Kämmerer regiert, verblassen die Vergangenheit — und gut zweieinhalb Jahre eigener Regentschaft.
Komödie besitzt traurige Momente. Ob es gut ist für den Stadtteil, der sich bereits abgehängt fühlt? Was soll's, im Zweifel steht man bei der nächsten Demo gegen Rechts zusammen und versichert sich, dass man auf der richtigen Seite steht. Dass die blauen Halb- und Dreiviertel-Nazis Zulauf haben — dafür kann man nix.
Wie gesagt, das Leben ist stets Komödie, die einen lachen hier, die anderen da.
Lachen oder nicht? Revolutionär eine grüne Pressemitteilung aus Hannover, Bauern bekommen Prämien, wenn sie ihre Kühe auf die Weide führen. Ich dachte, das machen die eh. Aber natürlich muss der Landwirt unterstützt werden, sonst sagt der traktorenlaut wieder: Die Ampel muss weg.
Schön die grün-rote Freude aus der Landeshauptstadt, Vorschriften zu vereinfachen, damit mehr gebaut wird, und gelockerte Regeln für die Betreuung in Kindergärten. Waren nicht mehr Schutz und Betreuung Forderungen eben dieser Parteien? Auf der Regierungsbank verkauft man angesichts mangelndener Ressourcen das Absenken von Standards schließlich als großen Erfolg und Moderne. Wenn die Schwarzen wieder regieren, werden sie's genauso machen. Komödie. Farce. Das bleibt. Erklären können sie es alle. Parteiübergreifend.
Bleiben wir heiter. Nehmen wir es nicht zu dramatisch, auch nicht auf Referenten-Ebene im Rathaus, und denken zitate-depp-mäßig an Joachim Ringelnatz: "Dramatiker und Rausschmeißer träumen immer von einem großen Wurf." Klappt irgendwann. So lange bleibt die Komödie. Carlo Eggeling
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