Lüneburg, am Montag den 10.03.2025

Hindenburg und die Langeweile

von Carlo Eggeling am 08.03.2025


Meine Woche

Wiederholung der Wiederholung

Knapp 60 Prozent sind dagegen, da hat der Bürger ein eindeutiges Ergebnis abgeliefert. Sicher? Denn wer Mathematik so gelernt hat, als es um Plus, Minus und Prozentrechnung ging, könnte danebenliegen. In der Politik rechnen einige anders. Vor allem, wenn es sich um ein ewiges Igittigitt-Thema wie Paul von Hindenburg dreht.

Als Reichspräsident ernannte er am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler -- der Beginn des nationalsozialistischen Mord-und Totschlag-Systems, das Millionen Tote forderte. Hindenburg hatte sein Amt von 1925 bis 1934 inne. Es gibt aus historischen Gründen ein paar andere Sichtweisen auf Hindenburg, aber die spielen zumeist keine Rolle. Sei's drum.

Seit mehr als einem Jahrzehnt fordern Initiativen und Parteien, der Name möge verschwinden. Die Politik stieg ein. Anwohnerbefragung. Die, die geantwortet haben, wollen in Mehrheit bei Hindenburg bleiben. Wahrscheinlich nicht, weil sie den alle toll finden, sondern weil es bequemer ist – Adressänderung bedeutet Arbeit.

Das ist jetzt ganz doof für Grüne, SPD und Linke, die eben den "Steigbügelhalter Hitlers" doof finden. Debatte im Kulturausschuss. Ergebnis: Das Ergebnis passt der Mehrheit nicht, also soll nach Willen der grünen Ausschussvorsitzenden Andrea Kabasci alles hinter verschlossenen Türen im Verwaltungsausschuss weiter besprochen werden. Was zählt der Bürgerwille?

Nun sind es gerade die drei Parteien, die Bürgerbeteiligung stets in Großbuchstaben an den Himmel schreiben. Wenn es passt. Wenn nicht, könnte man trefflich argumentieren, der Rücklauf der gut 800 verteilten Fragebögen lag nur bei 42 Prozent. Politische Mengenlehre könnte nun kreativ rechnen: Die anderen 58 Prozent haben vergessen, sich zu äußern und sind alle für einen anderen Namen, etwa Gartenstraße, wie das Asphaltband früher hieß.

Man könnte allerdings auch sagen, Politiker, die für eine Bürgerbefragung votiert haben, sind ziemlich dusselig. Lüneburg hat vor zwei Jahren erlebt, dass Anwohner nicht wollten, dass Teile der Erbstorfer Landstraße nach Hartmut Krome benannt werden, dem Mitgründer des Unternehmens Werum und Mäzen. 29 Bürger antworteten, die Mehrheit sagt Nein. Nix mit Krome-Straße.

Noch deutlicher bei einem Zipfel in Düvelsbrook, bei dem es um Hermann Reinmuth ging, einen Beamten, den die Nazis ins KZ sperrten, weil er keinen Eid auf Hitler schwören wollte und der später starb. Acht Anwohner reichten, um Nein zu dem aufrechten Mann zu sagen. Was für eine mutlose Farce. Genauso ist es mit Hindenburg. Der steht seit 1918 auf der Liste der Ehrenbürger der Stadt, damals ehrte Lüneburg den Generalfeldmarschall für seine Verdienste im 1. Weltkrieg, als den "Sieger von Tannenberg". Da steht er noch heute.

Kommen wir zu Aspekt zwei der Dusseligkeit. Entscheiden die Politiker aus aufrechten Gründen, dass Schluss ist mit dem undemokratischen Hindenburg und ein anderer Name gilt, liefern sie der AfD eine Steilvorlage. Die kann dann den "Systemparteien" locker vorwerfen, sie hielten sich nicht an demokratische Prinzipien. In eineinhalb Jahren haben wir Kommunalwahlen, was für ein Fest. Mal sehen, ob das einer der Experten merkt. Und das Thema versanden lässt.

Kulturdezernent Rink hatte eine Idee, die uralt ist und anderswo praktiziert wird, weil sie so ungemein praktisch ist: Kleines Schild, wer Hindenburg war, ein QR-Code dazu, um im Netz auf die ausführliche Geschichte zu kommen.

Vermutlich erleben wir die Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung. Lüneburger Besorgte lieben Bürgerbeteiligung, selbst wenn sie vorhersehbar in die Hose geht. Der Marienplatz ist so ein Beispiel, wo uns Gruppen, Runden und Formate tolle Lösungen aufgezeigt haben. Mein Liebling war die rostige Klangschale samt Sinnsprüchen, wie der Weltuntergang gerade am Marienplatz ein wenig verschoben werden könnte. Viele Ideen über Jahre, nichts passiert.

Großartig sind Bürgerräte, für die das Rathaus Personal eingestellt hat, um alles zu betreuen. Beim Glockenhaus kam heraus, könnte man nutzen. Da der uralte Kasten aber verseucht mit Holzschutzmittel ist, bleibt eigentlich eine Runde Halma als Maximallösung über -- länger als zwei Stunden ist ungesund.

Man könnte zum Schluss kommen, die Bürger wählen einen Stadtrat und einen Verwaltungschef. Damit haben sie entschieden, wer sie vertreten soll. Das bedeutet für die Männer und Frauen, die ein Mandat besitzen, dass sie entscheiden müssen -- im Sinne der Bürger. Eben auch unangenehme Dinge und es aushalten dafür verbal verprügelt zu werden.

Es bedeutet für eine Verwaltung, in der Fachleute sitzen sollten, dass sie in Vorlagen Handlungsoptionen aufzeigt und eventuell eine Empfehlung gibt. Das würde bedeuten, dass die Oberbürgermeisterin und ihre Dezernentenriege Verantwortung übernehmen. Lieber nicht, am liebsten heißt es orientierungslos: Die Politik müsse entscheiden.

Im vergangenen OB-Wahlkampf trat der Konkurrent Claudia Kalischs mit der Parole an "Gestalten statt verwalten". Zu kurz gesprungen: Gestalten und verwalten muss es sein. Natürlich kann die Verwaltungsspitze Akzente und Richtung setzen. Dafür besitzt sie ein politisches Mandat. Lüneburg steuert seit drei Jahren einen anderen Kurs. Vorlagen kommen auf den letzten Drücker, oder werden nachgereicht, um dann im Ausschuss präsentiert zu werden -- kaum Zeit, den Inhalt zu verstehen. Dieser Rat lässt sich vieles gefallen. Bürgerbeteiligung. Tolle Sache.

Anderes Thema. Empörung fällt gerade aus auf den Kanälen, auf denen sich in Lüneburg Halb- und Dreiviertel-Rechtsaußen-Aktive auskotzen. Mannheim: Ein Deutscher Irrer mit Kontakten zu Rechtsextremisten überfährt Menschen, ein Mann mit pakistanischen Wurzeln stoppt die Todesfahrt. Vertauschte Rollen. Bringt so ein blau-braunes Weltbild aber nicht ins Wanken. Das Böse kommt immer aus anderen Teilen der Welt.

Viele Dauernörgler finden den amerikanischen Präsidenten Trump toll. Wie der so aufräumt, wie der den Krieg in der Ukraine beendet. Klappt irgendwie nicht. Die Mentalität eines Kneipenschlägers, der sich heute mit dem und morgen mit dem anlegt, macht zwar Sorge, zeigt aber letztlich einen Schlappschwanz, gegen den sich andere zusammen tun. Erfolg? Wo? Zeigt ihm Putin in der Ukraine gerade. Tödlich für die armen Teufel, die den Irrsinn ausbaden müssen. Was für ein Vorbild.

Angesichts des wunderbaren Wetters bleiben wir heiter mit dem ehemaligen britischen Premier Winston Churchill: "Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance." Das Leben ist voller Chancen. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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