Graben in Lüneburgs Geschichte
von Carlo Eggeling am 19.07.2024Hier ist Lüneburg uralt und ganz bedeutend, auch wenn davon nur eine Ahnung zu sehen ist: an den Resten des Kapitelsaals zwischen Michaeliskirche und Kreisverwaltung. Jetzt haben dort Bauarbeiten begonnen, parallel steht Lüneburgs Stadtarchäologe Tobias Schoo bereit, um Spuren der Ahnen zu forschen.
Der Hintergrund: Seit Jahren hat der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt das Gemäuer im Blick, die Aktiven treibt die Sorge um, dass eine der Mauern durch Feuchtigkeit und Pflanzen so geschädigt sein könnte, dass sie einstürzen könnte. Jetzt geht man im Kreishaus den Bedenken nach. Franziska Welz, Fachbereichsleiterin Zentrale Dienste, sagt: "Der ALA teilte dem Landkreis Lüneburg gegenüber seine Sorge mit, dass der Erddruck auf die Mauer deren Standfestigkeit negativ beeinflussen könnte. Obgleich seitens eines durch den Landkreis Lüneburg beauftragten Statikers keine Einsturzgefahr gesehen wurde, haben wir uns dazu entschieden, die Erdmassen vor der Mauer abzutragen, um uns einen ganzheitlichen Blick über den vollständigen Zustand der historischen Mauer -- und deren augenscheinlich bereits in der Vergangenheit durchgeführte Ertüchtigung, in Form von in die Pfeilervorlagen eingebohrte Anker mit Scheiben -- verschaffen zu können."
Noch sei unklar, was die Arbeiten kosten: "Abtragung der Böschung und Auskofferung auf einen unteren bis mittleren vierstelligen Wert belaufen. Sollte es, zum Beispiel aufgrund besonderer archäologisch gebotener Vorsicht zu Verzögerungen bzw. Verlangsamungen oder zur Notwendigkeit anderer Maßnahmen kommen, so können die Kosten jedoch variieren."
Kurz zur Geschichte. Lüneburg wird 956 erstmals in schriftlichen Quellen erwähnt. Natürlich geht es um das Salz, das weiße Gold des Mittelalters. Genannt ist auch das Benediktinerkloster Michaelis. Das befand sich damals am Fuße der Burg auf dem Kalkberg und hatte eine große Bedeutung für das Herrschergeschlecht der Billunger. Dabei blieb es über die Jahrhunderte. Abzulesen ist das etwa daran, dass der Abt von 1228 an zusammen mit den anderen Sülzbegüterten, also modern Anteilseignern der Sazfabrik, den Sodmeister als Vorsteher der Saline wählen durfte. Nachdem die Bürger 1371 die Burg erstürmten, zogen Kloster und Kirche um, 1376 begann der Neubau, 1379 stellten Handwerker die Unterkirche fertig, hier hielt man Gottesdienste ab. Mit dem Bau des Turms begannen die Lüneburger 1430, seine heutige Ansicht erhielt er erst 1767.
Dass noch Reste des Klosters vorhanden sind, ist auch dem ALA zu verdanken. Denn als Ende der 1970er die Bauarbeiten für die Kreisverwaltung am Graalwall geplant werden, ist klar: Im Boden schlummern Überreste des ehemaligen Michaelisklosters. Die wiederum grenzen an die Kirche. Ein Fall für den gerade gegründeten ALA.
Der damalige Vorsitzende Curt Pomp und Mitglieder legen Überreste des Kapitelsaals frei, restaurieren sie. ALA-Ehrenvorsitzender Christian Burgdorff, damals dabei, erinnert sich: "Wir wollten das sichtbar machen." So passiert zweierlei: Von einem Überweg von Kreisverwaltung zur Altstadt blicken Passanten auf mächtige Streben und Säulen, die klar machen, darüber stand einmal etwas.
Parallel dazu gibt es einen Saal, ebenfalls ein Gewölbe, mit Fenstern zur freien Fläche. Auf derben Holzbänken sitzen ALA-Mitglieder bei Treffen zusammen, zum Beispiel wenn sie im tiefen Herbst Esskastanien anritzen, die es geröstet beim Christmarkt gibt. Es war eine Heidenarbeit damals: Ausgraben, dann warfen die Helfer Stroh in die Grube und legten eine Plane über das Loch, um das Gemäuer im Winter gegen Frost zu schützen. Die Steine für den Boden besorgte der ALA in Frankreich -- und verlegte sie. Bis heute ist die Aufgabe geblieben, alles zu erhalten, dazu gehört es, beispielsweise Efeu zu entfernen.
Die Liegenschaft gehört dem Landkreis Lüneburg, der hat sie dem ALA überlassen, statt Pacht muss der Verein den Unterhalt des Gemäuers sicherstellen.
Es könnte also noch einiges im Boden ruhen, was die Geschichte Lüneburgs und des Klosters weiter erklärt. Laut Stadt begleitet Archäologe Schoo die Arbeiten, wenn er etwas findet, möchte er die Öffentlichkeit darüber informieren. Carlo Eggeling
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