Lüneburg, am Freitag den 25.04.2025

Geschichten aus der Geschichte

von Carlo Eggeling am 14.04.2024


Oft liegt Geschichte im Dreck. Da muss man sie erkennen, wie Stadtarchäologe Tobias Schoo und seine Kollegen. Bevor am Ostpreußischen Landesmuseum die Bauarbeiten für den Kant-Bau beginnen konnten, suchten sie im Erdreich nach Spuren der Vergangenheit. Sie fanden an der Ecke zur Ritterstraße Rillen, die sich wiederum als Pflug- und Radabdrücke identifizieren lassen. Wahrscheinlich stammen sie aus dem Hochmittelalter, also 12. und 13. Jahrhundert. Das wiederum lässt sich einordnen in das Zusammenwachsen der vier Keimzellen Lüneburgs: Burg, Saline, Hafen und die Siedlung Modestorpe zwischen Ilmenau und heutiger Johanniskirche.

Nachzulesen ist die Geschichte aus der Geschichte im aktuellen Heft Denkmalpflege, das der Verein Lüneburger Stadtarchäologie herausgegeben hat. Wissenschaftlich fundiert und doch gut verständlich erzählen die Autoren aus Lüneburgs Vergangenheit. Auf der Fläche an der Ritterstraße liegen Funde im Boden und ebenfalls in einer Kloake, einer mittelalterliche Toilette. Westerwälder Steinzeug aus dem 16. und 17 Jahrhundert belegt beispielsweise, was man damals schick fand und das die alten Lüenburger wohlhabend waren, Handel trieben, sich teures Geschirr leisten konnten. Das findet sich übrigens auch in anderen Ecken der Stadt.

Kürzlich weihten Stadt und Christlich-Jüdische Gesellschaft die restaurierte Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs ein. Der war während der Zeit des Nationalsozialismus geschändet und verwüstet worden, eine besondere Pflege genoss der Ort des Gedenkens auch lange Jahrzehnte danach nicht. Der Architekt Heiner Henschke beschäftigt sich mit der 1912 errichteten Kapelle und den noch vorhandenen Grabsteinen. Er berichtet davon, wie vermutlich 1938 Anhänger der Nationalsozialisten übel auf dem Grundstück nahe dem Krankenhaus hausten. Nun hat man dem Friedhof -- so gut es ging -- einen Teil seiner Würde zurückgegeben.

Edgar Ring, Schoos Vorgänger als Stadtarchäologe, beschäftigt sich mit der Geschichte der Juden in Lüneburg. Da liegt vieles im Dunkeln. Nachweisbar ist eine "Judenstraße" im Jahr 1288, sie lag wahrscheinlich zwischen Vierorten und Neuen Straße, heute Auf der Altstadt. Weitere Hinweise finden sich in alten Dokumenten auf eine "Judenschule" und Synagoge für 1411 und 1426 eben auch im genannten Bereich. Damit siedelten die Juden an einem wichtigen Straßenzug, nämlich dem Weg von der Burg auf dem Kalkberg in Richtung des heutigen Sand.

Wie überall wurden die Juden als "Brunnenvergifter" verfolgt, als die Pest durch Europa zog und zwischen 20 und 30 Prozent der Bevölkerung dahinraffte. Was genau geschah, ist unklar, doch für 1350 erzählen Quellen von "großer Unmenschlichkeit" -- Bürger erschlagen ihre Nachbarn. Einen jüdischen Friedhof vermutet Ring aufgrund alter Papiere in der Nähe von Mönchsgarten und Ochtmisser Kirchsteig.

Unscheinbar und doch bedeutend schätzt Markus Tillwick Spanschachteln ein, die im Alten Archiv des Rathauses lagern. In den Kästen fanden sich einst vor allem Papiere. So haben sie die Flucht der beiden Lübecker Ratsherren Heinrich Westhoff und Goswin Klingenberg festgehalten. Die beiden waren in der großen Hansestadt in den Zwist verwickelt, der 1408 darin mündete, dass der alte Rat entmachtet und abgesetzt wurde. Die beiden Herren standen mutmaßlich auf der falschen Seite -- sie setzten sich in die durch Handel bestens mit Lübeck verbundene Stadt an die Ilmenau ab.

Auf den letzten Seiten geht es um Fundstücke, die oftmals Hobbyarchäologen fanden, etwa einen Tüllenmeißel aus der Bronzezeit, die von 1300 bis 900 vor Christus währte. Das Metall lag in einem Acker bei Wittorf. Schön gearbeitet ist ein goldener Fingerring zwei verschungener Hände, er wurde bei Bardowick entdeckt und kann in die Zeit zwischen 12. und 14. Jahrhundert datiert werden. Carlo Eggeling

Das Heft „Denkmalpflege in Lüneburg 2023“ kann für acht Euro im Buchhandel erworben werden.

© Fotos: Stadtarchäologie


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