Familienbesuche
von Carlo Eggeling am 15.02.2023Familienbesuche
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Norbert Glapa und Heidrun Güse rutschen für ihren Verein auf Knien, mit Begeisterung. Wenn sie die Werbebanner auf den Hallenboden legen und mit einem Holzspachtel feststreichen, bekommen sie so am besten Luftblasen ausgerieben. Die beiden gehören zu der halben Hundertschaft, die sich ehrenamtlich für die Volleyballer der SVG engagiert. Ohne die Truppe würde es nicht gehen, sagt Andreas Bahlburg. Der Geschäftsführer und Gründer des Vereins lobt: "Auf die ist Verlass, egal, wann wir aufbauen sind sie da." Auch die anderen, die Kabel ziehen, Karten abreißen, Tische schleppen, Videosequenzen produzieren und Getränke ausgeben, machen aus Lust und Laune mit.
Doch warum investieren die Helfer eine Menge Zeit? Heidrun Güse und Norbert Glapa sagen, was noch ein paar mal zu hören ist: "Wir sind hier wie eine große Familie." Sie kennen sich untereinander, viele packen seit Jahren mit an. Schon als der Verein in der Gellersen-Halle trainierte und spielte, waren die meisten dabei. Die Gemeinschaft ist aus der kleinen Halle mitgezogen in den großen Arena-Bau.
Heidrun und Norbert haben einst selber Volleyball gespielt, er stammt aus Dortmund, sie aus Unna. Der Sport brachte sie 1983 zusammen, als sie der Arbeit wegen in den Norden gingen, blieb die Leidenschaft für den Sport und das Engagement. Sie loben das Miteinander mit anderen Fans, wenn Gastmannschaften kommen, gehe man zusammen essen oder zeige die Stadt. Das funktioniere anders herum genauso. Klar, auf dem Feld fiebert jeder für seinen Verein. Aber sonst gehe es um das Verbindende.
Sophie Köster hält den Laden zusammen, sie koordiniert das Zusammenspiel der Helfer. An diesem Mittwoch kommt sie -- wie immer -- früher als die anderen. Das Spiel läuft erst am Sonnabend. "Ich hole zum Beispiel die Werbefolien aus dem Lager, sodass die anderen gleich zupacken können", sagt die 29-Jährige. Immer wieder ruft jemand "Sophie!", wo ist dies, wo ist das? Sie lächelt: "Das geht inzwischen, als wir die ersten Male hier in der Arena alles vorbereitet haben, war es schlimmer. Jetzt kennen sich alle besser aus."
Es gab überdies eine Entlastung. Den Boden legt Hallenbetreiber Campus aus, er baut, anders als vorher, inzwischen auch die Bande auf, über die die Werbebanner angezeigt werden. "Aber die Kabel verlegen wir", erklärt Sophie Köster. Längst Routine: Brauchten die Helfer anfangs Stunden, um alles vorzubereiten, sind "wir heute in einer Stunde und 15 Minuten fertig". Zum Aufbau kämen 15 bis 25 Helfer, zum Spiel dreißig, beim Abbau um die zwanzig. Je nachdem, wie jeder Zeit habe.
Die "Mutter der Truppe" arbeitet hauptberuflich als Sozialarbeiterin im Boizenburger Krankenhaus. Das Ehrenamt könne sie damit gut vereinbaren. Auch Sophie kam über den Volleyball dazu: "Ich habe aktiv in Gellersen gespielt. Ich habe damals nebenbei mitgeholfen, Bier ausgeschenkt, dann die Internetpräsentation, und schließlich der Aufbau." Klar sagt sie: "Wir sind hier wie eine Familie."
Wenn die Lüne-Hünen auflaufen, können Fans im Netz einen Live-Stream unter dem Titel Bounce House verfolgen. Dafür braucht es ein halbes Dutzend Kameras, Kabel, eine Art Mischpult, um Bilder und Aufnahmen zu komponieren, Zeitlupen einzublenden. Am Spieltag nehmen die beiden Moderatoren nur noch Platz. Marion und Rainer Hendel sind die Strippenzieher. Sie haben eine Einweisung bekommen, auf dem Handy gespeichert und stöpseln nun alles zusammen. Er sagt: "Wir haben das im November übernommen, wir entlasten die Technik, und es spart Kosten. Wir kommen aus der IT-Branche." Seine Frau ergänzt mit einem Lächeln: "Wir trauen uns das zu."
Die Atmosphäre, die Nähe zur Mannschaft, mit der man auch auf ein Bier zusammensitze -- das mache die Motivation aus, sind sich die beiden einig. So empfindet es auch Klaus-Dieter Klook, der schon mal als zweiter Busfahrer eingespringt, wenn die Mannschaft zum Auswärtsspiel aufbricht. Busfahren war sein Job, jetzt ist er Rentner. Einlasskontrolle, Kabel ziehen an der Bande, da macht er mit. Er sitzt selbstverständlich beim Spiel im Fanblock, feuert seine Jungs an.
Während es anderswo Nachwuchsprobleme gibt, kann die SVG auf junge Leute zählen. Lennart Detels ist mit seinem Vater Holger gekommen. Der 15-Jährige sagt stolz: "Ich gehöre zum Orga-Team." Das bedeutet für ihn selbstverständlich: mitmachen. Auf- und Abbau, Karten scannen, Fotos schießen. Dabei zu sein, dazu zu gehören, das ist seine große Belohnung. Der junge Mann strahlt.
Drei Tage später, Sonnabend. Die Ehrenamtlichen vom Mittwochabend sind wieder da. Jetzt geht es auch um die Gastronomie. Im VIP-Bereich lassen sich Sponsoren Häppchen und Getränke schmecken. Andrea Puls, Katrin Löwen und Martina Laubach zapfen Bier, schenken Sekt aus, öffnen Cola-Flaschen. Heinz Müller mischt mit: "Die VIPs wollen angesprochen werden." Kein Problem für den Selbstständigen: "Die meisten kennen wir ja." Die Gäste auf der obersten abgetrennten Ebene sind wichtig: Sie geben Geld für Werbung und Co., das die SVG für den Betrieb braucht.
Das Gastro-Team arbeitet schnell und freundlich. "Wir waren schon in der Gellersen-Halle dabei, da war es noch intensiver", erzählt Andrea Puls. "Hier sehen wir auch neue Gesichter. Es wächst zusammen und macht Spaß." Bei großen Spielen ist das Quartett inklusive Vorbereitung und Ausklang schon mal acht Stunden im Einsatz. Viel Zeit, aber alles ok: Wieder fällt das Wort "familiär".
Heinz Müller nennt noch einen anderen Grund: "Andreas Bahlburg hat uns oder unseer Kinder trainiert. Das ist alles gewachsen, und er ist der Motor. Wir sind der Sache verpflichtet."
Bahlburg, der aus einer Vision Wirklichkeit machte und den Verein so positionierte, dass er in der Bundesliga spielt, der Partner fand und letztlich -- bei aller Kritik an den Kosten -- den Bau der Halle umsetzen konnte, weiß um die Verantwortung und darum, wie wichtig all die sind, die Leidenschaft und Zeit in die SVG investieren: Ohne sie stünde der Verein vor noch größeren Herausforderungen.
Es gehe nicht nur um die Volleyballer auf dem Platz, sondern ebenso um die vielen, die im Hintergrund wirken, damit die Mannschaft auf dem Feld stehen könne, sagt der ehemalige Soldat, der weiß, wie wichtig Motivation bleibt. Dazu gehört vorzuleben, was man von anderen erwartet. Bahlburg ist da. Immer. "Ich bin stolz auf das Team, das wir um das Team haben", sagt er. Er empfindet es wie seine Mitstreiter: "Es ist eine große Familie." Carlo Eggeling
Fotos:
1. Sie schenken ein: Katrin Löwen, Heinz Müller, Martina Laubach und Andrea Puls.
2. Klaus-Dieter Klook begleitet die SVG auch zu Auswärtsspielen, auch ins italienische Mondena. Als Ehrenamtlicher verlegt er Kabel und steht an der Einlasskontrolle. (weiße Haare, schwarze Brille Volleyballer im Hintergrund)
3. Sophie Köster legt noch einmal Hand an: Die "Mutter der Truppe" klebt mit Tesa-Film die Ecken der Werbebanner fest. (bond, grünes Shirt am Boden)
4. Die Strippenzieher: Rainer und Marion Hendel bauen die Übertragungstechnik auf. Dazu ein Blick auf das Kabelgewirr.
5. Hiltrud Güse und Norbert Glapa streichen das Werbebanner am Hallenboden fest, Norbert nimmt dazu einen Holzspatel.
6. Lennart Detels ist einer der Jüngsten, die mitanpacken: "Ich gehöre zum Orga-Team, und das macht mir Spaß."
dazu Eindrücke vom Spiel.
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