Lüneburg, am Donnerstag den 12.12.2024

»Erzählen, wie es damals wirklich war« –

von Gesundheitsholding Lüneburg GmbH am 23.01.2024


Angebote anlässlich des Internationalen Gedenktages am 27. Januar 2024

Friedrich Buhlrich ist Bruder von drei Kindern, die in der »Kinder-Euthanasie« ermordet wurden. Erst wurde Hans ermordet, dann im Herbst 1944 seine Schwester Erika, schließlich im Januar 1945 Margret, die Jüngste. Was damals wirklich passiert ist und wie es ist, gleich drei Schicksale von NS-Opfern in der eigenen Familie zu haben, davon wird er anlässlich des Internationalen Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2024 um 12 Uhr im Bildungszentrum der »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg (Haus 43) auf dem Gelände der Psychiatrischen Klinik Lüneburg, Am Wienebütteler Weg 1, 21339 Lüneburg erzählen. Moderiert wird die Veranstaltung von Natalia Wollny, Mitarbeiterin der Gedenkstätte. Interessierte haben bereits eine Stunde vorher, um 11 Uhr die Möglichkeit, bei einem Rundgang die Hintergründe zu den »Euthanasie«-Verbrechen zu erfahren. Drei Schüler*innen des Gymnasiums Herderschule führen über das heutige Psychiatriegelände und informieren über die Gewalt an Menschen mit Beeinträchtigungen und psychischen Erkrankungen in der Zeit des Nationalsozialismus, insbesondere über den Krankenmord an Kindern und Jugendlichen. Die Schüler*innen wurden in Kooperation mit dem Gymnasium Herderschule zu professionellen Guides ausgebildet und begleiten seither Gruppen und Besucher*innen der Gedenkstätte. Treffpunkt für den 60-minütigen Rundgang ist das ehemalige Badehaus mit Wasserturm (Haus 34).

Einen Tag später übergeben die Schüler*innen den »Staffelstab« an die Schüler*innen des Gymnasiums Wilhelm-Raabe-Schule, die an diesem Tag erzählen, wie es außerhalb der Psychiatrie in der Stadt Lüneburg im Nationalsozialismus wirklich war. Auf diesem Rundgang durch die Lüneburger Innenstadt informieren die Schüler*innen-Guides der Geschichtswerkstatt Lüneburg über den politischen Aufstieg der NSDAP, über den Alltag und jüdisches Leben in Lüneburg, Verfolgung und Widerstand. Es werden Orte angesteuert, die in der NS- und unmittelbaren Nachkriegszeit von zentraler Bedeutung waren und deren Geschichten erzählt, zum Beispiel der Standort der ehemaligen MTV-Sporthalle, in dem nach Kriegsende der international wahrgenommene Bergen-Belsen-Prozess stattfand. Treffpunkt ist die Geschichtswerkstatt Lüneburg, Heiligengeiststraße 28, 21335 Lüneburg. Der Rundgang startet am Sonntag, 28. Januar 2024, um 11 Uhr und dauert etwa 90 Minuten, auch hierfür ist keine Anmeldung erforderlich.

Wer den Blick über Lüneburg hinaus weiten möchte, hat die Möglichkeit, bis zum 11. Februar 2024 montags bis freitags von 9 bis 20 Uhr im Niedersächsischen Landtag die Sonderausstellung »… auf deutschem Boden für die ganze Welt« zu besuchen. Sie erzählt über die wesentlichen Etappen der Geschichte 1933 bis 1945 aus der Perspektive des heutigen Landes Niedersachsen. Wie verlief der Aufstieg der NSDAP in der Provinz Hannover? Welche verschiedenen Verbrechen gab es auf dem heutigen Gebiet Niedersachsens? Oder: Wo gab es auch Formen des zivilen Ungehorsams? In der Ausstellung, die zeitgleich im UN-Hauptquartier in New York zu sehen sein wird, kommt daher auch die Geschichte von Dorothea Kaliwe vor, die infolge häuslicher Gewalt psychisch erkrankte und in der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg Patientin wurde. Sie zählt zu den wenigen, die – in ihrem Fall von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn – aus der Tötungsanstalt Pfafferode vor der Ermordung gerettet wurde.

Die Geschichte der Lüneburger »Euthanasie«-Verbrechen wird aber auch außerhalb Niedersachsens erzählt. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Helen Atherton (University of Leeds, Großbritannien) hat Dr. Carola Rudnick, Leiterin der Gedenkstätte, zur Sonderausstellung »Finding Ivy. A life worthy of life« beigetragen, die ab 27. Januar 2024 in der Gedenkstätte Schloss Hartheim (Linz in Österreich) zu sehen ist. In der Ausstellung, die sich ausschließlich mit dem Schicksal britischer Opfer der »Aktion T4« befasst, wird unter anderem die Geschichte von Martha Büchel, geborene Casselton, dokumentiert, die aus der Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt wurde. Die Ausstellung, die um 14 Uhr am Internationalen Gedenktag eröffnet wird, macht darauf aufmerksam, dass der Krankenmord ein Verbrechen an Europäer*innen war.

Wer in der Nähe bleiben möchte, kann am 27. Januar 2024 um 15.30 Uhr in die Buchhandlung Patz, Bahnhofstraße 6, in 29549 Bad Bevensen kommen. Dort liest Dieter Thiel aus seinem Buch »Oskar Pohlmann – Ermordet in Hadamar«. Oskar Pohlmann wurde am 22. April 1941 aus der Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg in die Zwischenanstalt Herborn und von dort am 21. Mai 1941 in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt und am Tag seiner Ankunft ermordet. Ein Angehöriger von Oskar Pohlmann wird bei der Lesung als Gast erwartet, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Alle Angebote sind kostenfrei, um eine Spende an die verschiedenen Akteure der zivilgesellschaftlichen Aufarbeitung von Verbrechen wird gebeten.



Weitere Informationen unter:
www.pk.lueneburg.de/gedenkstaette | Dr. Carola S. Rudnick, »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg gGmbH| info@gedenkstaette-lueneburg.de | Tel. 04131 60 20970.
Maren Hansen, Geschichtswerkstatt Lüneburg e.V. | info@geschichtswerkstatt-lueneburg.de | Tel. 04131 401 936



Vorschläge BUs:

Bild „Schülerinnen-Guides Herderschule“:
Erster öffentlicher Rundgang der frisch „getauften“ Schüler*innen-Guides des Gymnasium Herderschule am 8. Mai 2023. Am Samstag bieten sie erneut einen Rundgang an.

Bild „Schülerinnen-Guides Wilhelm-Raabe-Schule“:
Margaretha, Hannah, Finja, Hannah, Leo, Mati, Carla, Joris, Marsa und Hannah Sophie (von links nach rechts) bei der Probeführung am Stolperstein für Therese Schubert. Am Sonntag starten sie als neue Schüler*innen-Guides für die Geschichtswerkstatt Lüneburg.

Bildquelle: »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg

© Fotos: Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg


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