Lüneburg, am Freitag den 25.04.2025

Eisenwerk-Insolvenz — jetzt ist endgültig Schluss, mehr als 100 Kollegen verlieren ihren Job

von Carlo Eggeling am 19.02.2025


Die dritte Insolvenz ist die letzte -- das Lüneburger Eisenwerk schließt zum 1. März seine Tore, mehr als 100 Kollegen verlieren ihren Job. Das teilte Insolvenzverwalter Dr. Malte Köster der Belegschaft in einer Betriebsversammlung am Mittag mit. Er habe keinen Investor gefunden, der die Gießerei der Focast GmbH übernehmen wolle. "Die Auftragslage reicht nicht, um den Betrieb fortzuführen", sagte er im Gespräch mit LA. Es gehe jetzt darum, Maschinen und Betriebsgelände zu "verwerten", also gut zu verkaufen, um Gläubigeransprüche zu befriedigen. Im Mittelpunkt ständen dabei die Arbeitnehmer. Stichworte sind Interessenausgleich und Sozialplan. Die IG Metall und ihr zuständiger Bevollmächtigter, Lennard Aldag, begleiteten die Versammlung und sagten ihren Mitgliedern Unterstützung zu.

Wie einzelne Arbeiter, die nach der Versammlung von "Verarschung" sprachen, fand auch Aldag sehr deutliche Worte für für die Ursachen der Pleite und dafür, dass niemand die Gießerei übernehmen wolle: Die Eigentümer hätten seit Jahrzehnten nicht ausreichend investiert. Die Belegschaft sei den Chefs mit Sanierungstarifverträgen entgegengekommen, sie hätte auf Geld verzichtet, im Gegenzug hätte es Investitionen geben sollen. Doch gemacht worden sei nur das Nötigste, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Verwalter Köster drückte es ähnlich aus, nur weniger drastisch: "Es gibt hier einen Investitionsstau." Und den gebe es bereits länger. Der Maschinenpark und die Öfen seien nicht auf modernem Stand. In Deutschland stünden mehrere Gießereien zum Verkauf -- in besserem Zustand. Daher kein Zuschlag für Lüneburg. Er lobte die Kollegen: "Hier ist unter schwierigen Bedingungen weiterproduziert worden."

Focast Lüneburg ist spezialisiert auf hochwertige Gussprodukte für den Maschinen- und Werkzeugbau sowie für Pumpen und Kompressoren und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 16 Millionen Euro. Die Kollegen fertigen Kleinserien und Teile an, die im Maschinenbau und in der Autoindustrie verwendet werden. Also ein Nischenbetrieb, der anders arbeitet als Konzerne beispielsweise in Asien, die deutlich günstiger Massenware produzieren. Als Insolvenzverwalter Köster von der Bremer Kanzlei WillmerKöster das Verfahren im vergangenen Dezember übernahm, beschäftigte das Werk an der Gebrüder-Heyn-Straße im Hafen 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Im Büro von Betriebsratsvorsitzendem Wieland Weiss sitzen mehrere Kollegen und erzählen: Man habe "vor zehn Jahren 60, 70 Tonnen gegossen, jetzt machen wir 30 bis 40 die Wochen, wenn überhaupt. Mehr schaffen wir gar nicht mit den Anlagen". Ein klarer Wettbewerbsnachteil.

Aldag ist überzeugt, die dritte Insolvenz seit 2017 ist weniger in hohen Energiepreisen begründet, sondern in mangelnder moderner Technik. Die Politik habe sehr unterstützt, das gelte für Stadtrat und Kreistag, für Bundes- und Landtagsabgeordnete, Auch Wirtschaftsminister Olaf Lies habe sich engagiert. Es sei dabei unter anderem um die Umstellung auf Elektroöfen gegangen, die beispielsweise mit Strom aus dem Windpark in Dahlenburg gespeist werden sollten. Nur habe das Management eben nicht in diese Öfen investiert.

Vorbei. Nun geht es um Notfallmanagement. Verwalter und Gewerkschaft holen kommende Woche Fachleute der Agentur für Arbeit ins Haus, um die Qualifikation der Kollegen abzufragen und dann bei der Vermittlung in andere Jobs zu helfen. Gießereien dürften eher die Ausnahme sein, die gibt es in der näheren Region nicht.

Köster betont, dass er sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben für die finanziellen Forderungen der Beschäftigten einsetze. Dabei gehe es beispielsweise um Überstunden und Urlaubsansprüche, aber auch um Abfindungen.

Mit dem Aus geht eine lange Wirtschaftsgeschichte in Lüneburg zu Ende. Die Tradition begründeten der Lüneburger Unternehmer August Wellenkamp und der aus Osnabrück stammende Gießereifachmann Julius Meese 1843 Vor dem Bardowicker Tore, Mitte der 1970er Jahre zog der Betrieb in den Hafen um. Der Straßenzug Am alten Eisenwerk erinnert an den alten Standort. Eine Erinnerung bleibt: Das Geländer der Brücke über die Ilmenau am Altenbrücker Tor stammt aus dem Eisenwerk. Carlo Eggeling

Betriebsratsvorsitzender Wieland Weiss, Insolvenzverwalter Dr. Malte Köster und IG-Metall-Bevollmächtigter Lennard Aldag (vordere Reihe) und Kollegen stehen vorm Eisenwerk. Es ist nicht gelungen, den Betrieb zu retten. Foto: ca

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Willi Behrens
am 19.02.2025 um 20:52:06 Uhr
Das ist sehr schade!
Hier zeigt sich aber auch die Richtigkeit des Spruchs: "Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit!" Traurig das Investoren nur noch auf Rendite schauen, und anstatt zu investieren, lieber den Betrieb ausbluten lassen und dann abzustoßen!
Kommentar von Karl-Heinz Bartels
am 20.02.2025 um 19:00:33 Uhr
Willst du Firmen gehen sehen,musst du nach Deutschland gehen
Kommentar von Sascha Petersen
am 22.02.2025 um 20:04:20 Uhr
Schon damals in den 90ern als ich dort meine Ausbildung absolviert habe stand es nicht so gut um das Werk.
Mir tun die Mitarbeiter sehr leid.
Wer sich aber auf vergangene Zeiten ausruht und nicht investiert hat leider selber Schuld.
Die Leidtragenden sind die Mitarbeiter


Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook