Lüneburg, am Donnerstag den 13.03.2025

Ein Star von links

von Carlo Eggeling am 14.02.2025


Wer war noch mal die Linke? Eine Truppe, die sich selbst zerlegt. In Umfragen irgendwo bei drei Prozent. Bis Heidi Reichinnek kam. Im vergangenen Herbst mit Jan van Acken als Parteivorsitzende gewählt. Sie macht das, was andere kaum können: Bei TikTok und Instagram postet sie Videos und erreicht Hunderttausende. Ihre Abrechnung mit Friedrich Merz im Bundestag, der auf Stimmen der AfD setzte, soll 30 Millionen Aufrufe verzeichnet haben. Für junge Leute ist sie Kult. Auch am Donnerstagabend in Lüneburg. Selfie-Laune. „Heidi, Heidi, Heidi!“ 200 quetschen sich in den Saal der Gasthausbrauerei Nolte an der Dahlenburger Landstraße, 150 stehen vor der Tür. Kein Reinkommen, kein Platz mehr an den Tischen im Lokal. Kurz vor sechs, Pressegespräch gemeinsam mit dem Linken-Landesvorsitzenden Thorben Peters aus Lüneburg, der die erkrankte linke Bundestagskandidatin Marianne Esders vertritt. Wohin? Nur noch ein Nebenraum; Gläser stehen auf dem langen in Legion Reserve, Pokale drängen sich in einem Schrank, Biertanks reihen sich an der Wand. Keine Heizung. Stühle rücken. Macht der 36-Jährigen nichts aus. Sie brennt für ihre Ziele. "Selbst Allensbach sieht uns jetzt bei sechs Prozent", sagt die Abgeordnete, die seit 2021 im Bundestag sitzt. Wow, ein eher konservatives Meinungsforschungsinstitut. Das ist doppelt so viel wie vor einem halben Jahr. Wie kommt's? In den Augen der Leute sei das Image der Kümmerer nicht mehr dagewesen, die Partei habe sich nur mit sich selbst beschäftigt. Dass Sahra Wagenknecht sich mit ihrem gleichnamigen Bündnis abgespalten habe, sei gut gewesen – für beide Seiten, ein Lächeln: "Wir können wieder stark werden." Und Wagenknecht schwächelt. Sie sagt: "Wir reden nicht nur, wir machen." Beratung zu Niedriglohn, Mietwucher, Heizkosten, Bürgergeld. Dazu Reichinnek mit flammenden Reden, unkonventionell, Tattoos, klare Haltung gegen Nazis, sie kommt aus der Arbeit mit Jugendlichen und Flüchtlingen, das abgenudelte Wort authentisch fällt einem ein. In Niedersachsen, dem Landesverband der gebürtigen Obhausenerin in Sachsen-Anhalt, ist die Mitgliederzahl laut Peters von 2600 auf 5200 gewachsen. Die Neuen engagieren sich: Haustürbesuche, Info-Stände, Plakate aufhängen. Die Linke will für Inhalte und Werte stehen, die in anderen Parteien, gelinde gesagt, einen Wandel erlebt haben: gegen Rüstungspolitik, Offenheit für Zuwanderer und Flüchtlinge, Umverteilung von oben nach unten. Dabei will Reichinnek offen sein: Mit Bundestagsabgeordneten der AfD und Funktionären der Partei wie "Björn Bernd Höcke" mache es keinen Sinn zu reden. Anders an Haustüren. Leute, die AfD-Sympathie erkennen lassen, könne man erreichen. Es gehe um soziale Themen, hohe Mieten, zu geringe Renten, da habe die Linke andere Ansätze und Perspektiven. Zumindest zum Nachdenken könne sie anregen. Es geht in den Saal. Überwiegend junge Gesichter. Applaus und fast andächtige Stille. Hier ist Heidi Reichinnek ganz nah. Hier wird sie Stimmen holen. Die etablierten Parteien könnten eine Menge lernen, wie man Wähler gut unter 30 erreicht. Ob wohl der fette Stoß Autogrammkarten ausreicht, den Reichinnek und ihre Mitarbeiter vorbereitet haben? Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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