Lüneburg, am Dienstag den 22.10.2024

Die Stadt macht nicht wirklich mobil

von Carlo Eggeling am 22.10.2024



Mehr Mut, ausprobieren, und wenn es nicht läuft zurückschrauben -- Prof. Dr. Peter Pez rät der Politik und der Stadt zu mehr Schwung und Ideen bei ihren Mobilitätsplänen. Mal heftig attackiert, mal als Verkehrspapst gefeiert, begleitet der Wissenschaftler der Uni die Entwicklung seit Jahrzehnten mit Untersuchungen und Stellungnahmen. Verwundert blickt er auf den Nump, was für Nachhaltigen urbanen Mobilitätsplan steht steht, an dem Fachleute und Stadt seit langem feilen. Naheliegende Veränderungen schließe das Papier aus.

Mit geringem Aufwand könnten Soltauer und Uelzener Straße jeweils zu Einbahnstraßen umgewandelt werden, über die der Verkehr stadtein- beziehungsweise fließen könnte, begleitet von einer Spur für Busse und Radler. Dies umzusetzen habe die Verwaltung versäumt, als die Allen Baustellen waren. Versuch hätte klug gemacht, sagt der Wissenschaftler.

Gleiches gelte für Oedemer Weg und Auf der Höhe, parallele Einbahnstraßen würden den Verkehrsfluss gäniger machen und weniger riskant gerade auf der Höhe. Busse kämen besser voran. Es könnte dazu führen, dass mehr Menschen den ÖPNV nutzten.

Die Pläne, der während des Berufsverkehrs stauverstopften Schießgrabenstraße Autospuren abzunehmen, um sie für Busse und Radfahrer freizugeben, versieht Pez mit Fragezeichen. Das könne funktionieren, weil Pendler aus Richtung Adendorf beispielsweise über die Umgehungsstraße ausweichen könnten. Das täten sie heute nicht, so die Einschätzung, weil es weniger Zeit koste, im Stau zu tuckern, als zügig aber länger über die Ostumgehung zu fahren. Doch ob das Kalkül am Ende aufgehe, müsse ein Versuch zeigen. Bevor man Fakten schaffe, ausprobieren und im Zweifel zurückdrehen. Dass Verkehr sich verlagere, habe die Vergangenheit gezeigt, als beispielsweise die Reichbach- oder die Altenbrückertorquerung erneuert wurden, damit als Strecken ausfielen.

Die Umsetzung des Verkehrsplans 1993 hatte zum Ziel, den Autoverkehr um ein Viertel zu senken. Das habe funktioniert, weil es innerstädtisch tatsächlich bequemer ist, auf das Rad umzusteigen. Die Mischung aus Zwang, unbequem und Alternativen von vor 30 Jahren habe Lüneburg allerdings kaum weiterverfolgt.

Skeptisch blickt der Geograf auf Ikonen der Radfahrerlobby, die einen Ring um die Stadt fordert: "Die Sinnhaftigkeit erkenne ich nicht." Zum einen wollten die meisten Menschen aus den Umlandgemeinden in die Stadt, um zu arbeiten, einzukaufen, zum Arzt zu gehen oder ins Café. Sie würden nicht um den Kern kreiseln.

Das selbst von der Polizei kritisierte Konzept, der Hindenburgstraße Raum zu nehmen, mache wenig Sinn. Es gebe Radwege, und: "Ich selber nutze den Weg am Liebesgrund und dann weiter durchs Wasserviertel, um zum Bahnhof zu kommen." Eben diesen Weg habe die Stadt vor Jahren bestens ausgebaut. Da könne es so bleiben, wie es ist. "Der Fahrradring ist ein Fetisch, reine Symbolpolitik."

Sinn habe es gemacht, den südlichen Teil des Kurparks für Speichen-Fans freizugeben, ein angenehmer Weg aus der Stadt zur Uni. Skurril mutet allerdings die 33 Meter lange Brücke über die Bahnlinie an. "Da sollten Sie absteigen, was kaum jemand macht", sagt Pez. Zu recht: Eine Studentin habe das Thema in einer Arbeit beleuchtet. Ergebnis: In drei von vier Fällen seien Radler allein auf der Brücke, und wenn der Pedalo auf einen Fußgänger treffe, gebe es kein Problem.

Die rechtlichen Probleme, welche die Stadt ausmacht, erkennt Pez nicht, überdies greife die Argumentation auch in Zentimetern zu kurz: 2,50 Meter breit solle der Weg auf der Brücke sein, meine man im Rathaus, tatsächlich fehlen daran zehn Zentimeter. Vollkommen absurd wird es dann ein Stück weiter: Der Verbindungsweg zwischen Munstermannskamp und Gneisenaustraße sei 1,95 Meter breit. Damit habe die Stadt gar kein Problem, wie die Verkehrszeichen deutlich machen.

Der Bus spiele in lokalen Verkehrskonzepten eine zu geringe Rolle. Es müsste wie in etwa Hamburg Spuren geben, auf den die Wagen zügig durch den Verkehr rollten. Die Wallstraße war in Verbindung mit der Kreuzung am SaLü im Rahmen des VEP von 1993 eben deshalb zur Abkürzung gemacht worden -- Busse raus aus dem Berufsverkehr auf der Lindenstraße. Gäbe es Einbahnstraßenregeln wie vorgeschlagen an Uelzener und Soltauer Straße, könnte das den Bus schneller machen.

Pez nimmt das Umland in den Blick. Lüneburg zählte zu Beginn der 1990er Jahre weniger als 65 000 Einwohner, heute fehlen nicht viel an 80 000. Ähnlich schaut es rund um die Stadt aus, zig Baugebiete sind dazugekommen. Und damit Tausende Autos. Wer den Umstieg von vier auf zwei Rädern wolle, müsse gute Radwege anbieten, Wohlfühlstrecken, die nicht entlang der Hauptstraßen laufen, die bequem und schnell sind. Ein Beispiel ist die Verbindung von Reppenstedt durch Felder und ruhige Viertel zu den Sülzwiesen. Gerade angesichts von immer mehr E-Rädern werde der Trend zum Velo anhalten.

Pez betont, dass er kein Autogegner ist, was ihm in der Vergangenheit gern unterstellt wurde. Er verweist angesichts der Diskussion um das Streichen von Parkplätzen darauf, dass die Stadt damit innenstadtnah gut bestückt sei, eben das gelte es herauszustellen. Auch plädiert er dafür, den Marienplatz anders zu nutzen, das werde den "Parksuchverkehr" der Reitenden Dienerstraße abschcneiden. Doch in der Nähe, am Graalwall, gebe es ausreichend Stellflächen -- nur ein paar Minuten vom Rathaus entfernt.

Viele kleine Veränderungen könnten der Verkehrswende großen Schwung geben. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare


Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.



Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook