Die Mühlen der Justiz mahlen langsam -- zu langsam?
von Carlo Eggeling am 14.11.2022Ein Polizist steht unter Verdacht, als Einbrecher und Dieb. Doch auch nach fünf Jahren ist nicht klar, ob und wann er angeklagt wird
Organisierte Kriminalität, Bandenstrukturen, Extremismus, Zielfahndung, Mobiles Einsatzkommando -- die Zentrale Kriminalinspektion (ZKI) ermittelt gegen Schwergewichte des Verbrechens. Wo ihre Büros und Überwachungstechnik liegen, behalten die Beamten für sich. Öffentlichkeit mögen sie nur dosiert. Besonders peinlich also, wenn ein Mann aus ihren Reihen, der für den polizeilichen Staatsschutz tätig war, als Krimineller verdächtigt wird. Er soll einen Einbruch vorgetäuscht haben, um so zu vertuschen, dass er rund 60 000 Euro aus einer Asservatenkammer gestohlen hat. Peinlich wird es an einer zweiten Stelle: Die Tat liegt mehr als fünf Jahre zurück, im August 2018. Die Ermittlungen sind lange abgeschlossen, heißt es aus Polizeikreisen, doch obwohl mehrfach angekündigt, hat die Staatsanwaltschaft es bis heute nicht geschafft Anklage zu erheben.
Anfragen gab es mehrere in den vergangenen Jahren. Zwei aktuelle Versuche: Anfang Juli diesen Jahres hießt es aus der Behörde an der Burmeisterstraße: "Der Vorgang ist nach hiesiger Einschätzung weitgehend abgeschlossen und liegt dem zuständigen Dezernenten nun zur abschließenden Bearbeitung vor. Einen konkreten Termin für den Verfahrensabschluss kann ich Ihnen leider nicht mitteilen." Mitte November lautet die Antwort: "Der in Aussicht genommene zeitnahe Abschluss dieses Verfahrens war bislang wegen einer nicht vorhersehbaren Vertretungslast aufgrund zahlreicher Erkrankungen, Quarantänefälle, Abordnungen und gesetzliche begründeten Freistellungen vom Dienst leider noch nicht möglich." Wann die Anklage beim Landgericht landet? Ungewiss.
Zwar schütteln einige -- nicht nur in der ZKI -- bei der Polizei mit dem Kopf darüber, dass es scheinbar ewig dauert, den Fall des freigestellten Kollegen abzuschließen, doch aus Ermittlerkreisen gibt es auch Verständnis. Denn der Staatsanwalt gilt ihnen als guter Kollege; bereits im Sommer hieß es, er habe einen Schwung dringender Fälle, sogenannte Haftsachen, auf seinem Schreibtisch liegen: "Dem Mann kann man keinen Vorwurf machen."
Rückblick.
Im Sommer 2018 versuchte ein Unbekannter, von außen in den Asservatenraum der Zentralen Kriminalpolizeiinspektion einzudringen. Eine Sicherung löste aus, Streifenwagen waren schnell vor Ort, die Polizisten stellten fest: „Der Täter gelangte nicht ins Gebäude.“ Doch bei der Tatortaufnahme in dem besonders gesicherten Zimmer stellte die Spurensicherung fest, dass jemand in dem Raum ein Behältnis aufgebrochen hatte – Geld war verschwunden.
Der damalige Lüneburger Kripo-Chef Steffen Grimme formulierte vorsichtig, „da es sich um Täterwissen handelt“, er sagte: „Es war deutlich sichtbar, dass jemand etwas Unerlaubtes getan hatte.“ Da in den Raum nur Mitarbeiter gelangen, die über eine entsprechende Berechtigung verfügen, konnten die Polizisten den Kreis der Verdächtigen eingrenzen. Sie kamen nach Wochen schließlich auf den Staatsschützer. Beamte durchsuchten Büro und Wohnung des Beschuldigten, das Geld sollen sie allerdings nicht gefunden haben. „Aber wir haben umfangreiches Material sichergestellt, unter anderem den Computer des Verdächtigen“, bestätigte Grimme. Der Kollege mache von seinem „Aussageverweigerungsrecht“ Gebrauch – er schwieg also.
Später stellte sich heraus, dass der größte Teil des Geldes zuvor im Rahmen eines Terrorismus-Verfahrens beschlagnahmt worden war. Wohl während einer Hausdurchsuchung bei Beschuldigten, die damals im Verdacht standen, die islamistische „Al-Nusra-Front“ in Syrien zu unterstützen. Der Fall hatte im Dezember 2019 eine politische Dimension erreicht, das Innenministerium in Hannover nahm Stellung zu den Ermittlungen gegen die Islamisten und den weiteren Ereignissen: "Die Ermittler waren mit Spezialeinsatzkräften bei den Männern angerückt. Sie nahmen nicht nur die Verdächtigen mit, sondern auch Bargeld in Höhe von 51 650 Euro. Das Geld hatten die Beamten in einem Kleiderschrank entdeckt. Von dort wanderten die Scheine in den Stahlschrank der vermeintlich sicheren Asservatenkammer der Polizei Lüneburg." Und dort lag noch mehr Bares.
Der Fall zeigt, wie überlastet die Justiz offenbar ist, wenn ein spektakuläres Verfahren sich so dahinschleppt. Aus den Reihen der Spezialermittler heißt es, man spreche den Fall bei Vorgesetzten besser nicht an. Peinlich eben. Carlo Eggeling
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