Lüneburg, am Donnerstag den 17.04.2025

Der Sozialdezernent geht — mit Kritik gegen die Rathausführung

von Carlo Eggeling am 23.10.2024


Der Abgang an der Rathausspitze kommt auf den ersten Blick überraschend, doch der Abschiedssatz von Sozialdezernent Florian Forster lässt auf längere Konflikte schließen und wirft Fragen auf: "Dass ich mit der strategischen Ausrichtung des Hauses nicht immer einverstanden war, ist kein Geheimnis." Über ihm als Chefin sitzt nur Claudia Kalisch, beide besitzen das grüne Parteibuch. Der Satz beschreibt also ein Verhältnis auf höchster Ebene. Das soll ziemlich zerrüttet sein, heißt es aus Politik und Verwaltung. Gleiches gilt für die Beziehung mit Kämmerer Matthias Rink, der städtische Kassenwart soll Anregungen und Forderungen aus dem Bereich Soziales, Bildung, Sport und Kultur eher ablehnend gegenüberstehen. Forster, der sein Amt im November 2022 antrat, geht nach zwei Jahren -- ungewöhnlich schnell.

Wie tief der Riss gehen dürfte, zeigt ein Blick auf die Geschichte. Die Oberbürgermeisterin hatte das Auswahlverfahren für den Posten an sich gezogen. Sie präsentierte nur einen Bewerber: Forster. Der räumte selber ein, er sei IT-Fachmann, mit wenig Expertise im Sozialen. Bei seiner Wahl stimmte die SPD gegen ihn, eben weil es ihm an Know how fehle. 27 von 39 anwesenden Ratsmitgliedern stimmt schließlich für den Mann, der aus der Bremer Verwaltung kam. Die OB stellte sich demonstrativ mit einem Glückwunsch an die Seite ihres Parteifreundes: "Sie bringen alles mit, was wir jetzt brauchen."

Dem Vernehmen nach konnte Forster sich nicht durchsetzen. Die Oberbürgermeisterin ziehe vieles an sich, entscheide aber ungern -- das soll Forster in internen Gesprächen beklagt haben. Claudia Kalisch scheint ihre Einschätzung wohl geändert zu haben -- und Forster will sein Glück nun als IT-ler in der freien Wirtschaft in Bremen suchen. Eine Rückkehr.

Politisch liegen zwei Themen nahe. Das eine: Wenn Forster provokanterweise in seinem Abgesang anstimmt, er stimme mit der strategischen Ausrichtung des Hauses nicht immer überein, wie definiert die Oberbürgermeisterin ihre Linie? Forster soll eine links-grüne offene Position in Sachen Zuwanderung/Flüchtlinge vertreten haben, die Oberbürgermeisterin eine abweisende restriktive. Welchen Kurs steuert die Verwaltungschefin? Eine Frage, die bundesweit die grüne Basis umtreibt — und in der Grünen Jugend zu Austritten an der Spitze führte.

Gleiches gilt für ein soziales Konzept für die Innenstadt. Welche Wege will das Rathaus gehen, angesichts von Trinker- und Drogenszene, von Obdachlosen und psychisch Auffälligen. Von der Oberbürgermeisterin war zu hören, dass das Ordnungsamt mehr Mitarbeiter mit mehr Durchgriffsmöglicheiten erhalten soll. Doch wenn es Polizei und Justiz schon nicht schaffen, süchtige Ladendiebe hinter Gitter zu bringen und Verwirrte in die Psychiatrie, wie soll es dem Ordnungsamt gelingen? Die Rechtsgrundlage fehle, merken Polizisten an, die ihren Dienst auf der Straße versehen: "Die können nicht mehr als wir."

Welchen Ansatz gibt es, Hilfsangebote zu machen, welche anderen Treffpunkte als Sand, Grapengießerstraße und Co können Betroffene anlaufen? Die Antwort der vergangenen Monate, man finde trotz Leerstands in der Innenstadt keinen Vermieter, vertagt die Herausforderung lediglich. Welche andere Lösung gibt es?

Es dürfte Monate dauern, bis ein Nachfolger für Forster gefunden werden dürfte, das hat die Vergangenheit gezeigt. Da ist das Konzept der Verwaltungsspitze um so mehr gefragt. Und: Da die letzte Ausschreibung nicht lange her ist, könnte der Headhunter die Unterlagen erneut nutzen. Ob sich angesichts der Abgänge zügig gute Bewerber melden?

Damit liegt das zweite Thema auf dem Tisch: Woran liegt es nur, dass ständig leitende Mitarbeiter das Rathaus verlassen. Mehrere Abgänge von langjährigen Kollegen im Finanzressort unter anderem zum Landkreis, der Ordnungsamtsleiter ging perdu, in der Bauverwaltung geht die Tiefbauamtschefin, ein Architekt, zuständig für die Rathaussanierung, hatte das Handtuch geworfen. Was unternimmt die Verwaltungsspitze, um Kollegen zu halten?

Mal sehen, ob die Politik die Themen aufgreift und wenn ja, wie. Nächste Woche tagt der Rat. Das wäre eine Bühne. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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