Lüneburg, am Freitag den 25.04.2025

Der Klau am Bahnhof

von Carlo Eggeling am 28.05.2024


Der Bahnhof mit den beiden Fahrradparkhäusern scheint für Diebe ein stetiges Weihnachtfest zu sein -- sie bedienen sich ständig am Gabentisch. Eine aktuelle Tat meldet die Polizei vom Montag: Zwei Hamburger, 19 und 20 Jahre alt, versuchten, ein Kettenschloss aufzudrehen. Mitarbeiter kamen dazu und riefen die Polizei. Das Duo flüchtete, doch die Beamten waren fixer und knöpften den beiden Hanseaten einen offensichtlich geklauten E-Roller, einen geklauten Personalausweis und eine geklaute EC-Karte ab.

Alltag im Radspeicher. Für die Polizei zählt der Bahnhof seit Jahren zu den Schwerpunkten des Fahrraddiebstahls. Mehr als 1300 Velos kamen vergangenes Jahr in Stadt und Kreis weg, davon reichlich an der Station. Dabei greifen die Täter nicht nur auf dem Vorpaltz zu, sondern auch im Radspeicher, wo den Tag über Kollegen in der Werkstatt vieles im Blick haben und Bereiche per Videoaufzeichnung überwachen. Das kümmert das Kommando Greif & Co allerdings nicht. Am Montag griffen die Hamburger gegen 15.15 Uhr zu.

Videos und Screenshots dokumentieren alle Spielarten des Klauens. Vom Schlösser knacken über das Aufschneiden mit der Akku-Flex, übrigens nicht nur des Schlosses, sondern auch der Sicherungebügel, bis hin wie im aktuellen Fall das Aufdrehen. Die Erfahrung der Werkstatt-Kollegen: Selbst ein zerstörter Rahmen ist kein Problem, Teile wie zum Beispiel die teuren Batterien der E-Räder sind trotzdem gefragt.

All das ist seit Jahren bekannt. Nun könnte man denken, dass Politiker und eine Rathausspitze die Kopenhagen und Utrecht als fahrradvorbildliche Zukunft im Sinn hat, Geld in die Hand nehmen würde, um die Radspeicher besser zu sichern, in dem Pendler ihre Vehikel abstellen, bevor sie mit dem Zug weiterfahren. Doch das bleibt eher ein Ziel. 2017 gab es den ersten Anlauf, zumindest ein Fahrradparkhaus mit Sicherungstechnik auszustatten, Grüne und Linke hatte Bedenken -- zu teuer, zu kompliziert.

Zweimal scheiterte die Stadt, als sie versuchte, in Förderprogramme zu radeln. Zweimal sozusagen Plattfuß, weil die Idee viele Gemeinden haben. Kann man nix machen, war die Haltung, trotzdem die Stadt Klima- und Radentscheid für eine CO2-ärmere Zukunft beigetreten war. Allerdings sind die Beitritte so schwammig wie eine Reifen mit zu wenig Luft. Man bemüht sich, verpflichtet sich aber zu nichts wirklich konkret.

Malte Meyners, er hat den Radspeicher von der Stadt gepachtet, will im Moment nichts sagen, er sei mit der Verwaltung im Gespräch, die sei konstruktiv, die Politik müsse gewonnen werden. Nehmen wir das, was in der Vergangenheit aus der Abstellanlage zu hören war und was nachzulesen ist. Meyners hatte Konzepte erarbeitet, war in Utrecht, um sich ein gelungenes Vorbild anzuschauen, doch so richtig weitergekommen ist er nicht. Zweimal hat er Firmen gewonnen, die Kostenvoranschlääge schickten, die dann zerknüllt wurden, weil man ja keine Förderung einwerben konnte. Mit Mühe und Not gelang es ihm, noch eine Kostenschätzung für einen ENtwurf auf den Weg zu bringen. Irgendetwas zwischen 180 000 und 200 000 Euro. Allerdings lediglich für eine Etage, um billiger zu sein -- obwohl der Bedarf riesig ist.

Das lässt sich allein daran ablesen, dass schon zu Zeiten des alten Oberbürgermeisters, aber der gleichen Bau- und Verkehrsdezernenten über den Bau eines dritten Fahrradparkhauses nachgedacht wurde. Seit zweieinhalb Jahren stellen die Grünen die stärkste Fraktion im Rat sowie die Oberbürgermeisterin. Eben die, die eigentlich alle in den Sattel locken wollen. Man könnte sich fragen, wo man Prioritäten setzt, bei Umbauten von Wall- und Haagestraße zu Fahrradrouten, die jeder Strampler schon vorher mühelos nutzen konnte oder eben am Bahnhof, wo Tausende umsteigen. Oder LED-Tafeln für 150 000 Euro, die an der Lünertorstraße anzeigen, was die Ampel schon erledigt: Man hat rot oder grün.

Anfrage an die Pressestelle der Stadt. Was geht? Die Antwort in Kürze: "Schauen wir mal, aber im Moment eher nix." Die Langform: "Das Thema Diebstahl von Fahrrädern im Bahnhofsumfeld und auch in den Abstellanlagen ist leider nach wie vor akut. Wir befinden uns hierzu kontinuierlich im Austausch mit Herrn Meyners als Betreiber des Radspeichers, der uns bei der Aktualisierung der Kosten für die Sicherungsmaßnahmen unterstützt. Eine kostengünstige Lösung wird es nicht geben. Einer pragmatischen Umsetzungslösung stehen die Eigentumsverhältnisse - die Stadt ist Eigentümer des Radspeichers -- und damit das Vergaberecht im Weg. Wegen der nicht verfügbaren Fördermittel werden wir uns mit der Politik abstimmen müssen, ob allein städtische Haushaltsmittel für die Sicherungsmaßnahmen eingesetzt werden können. Dabei dürfen wir die arg strapazierten personellen Kapazitäten der Gebäudewirtschaft mit vielen Großprojekten aber nicht aus dem Blick verlieren."

Da ist also in absehbarer Zeit wenig zu erwarten. Diebe können sich weiterhin weihnachtlich fühlen.

Noch ein heiterer Aspekt. Vor mehr als einem Jahr hatte die Stadt zwei sogenannte Fahrradflundern auf dem Vorplatz montiert. Die Blechfundamente samt Sicherungsbügeln sollen quasi als Experiment wirken, hieß es im März 2023. Der Text in der städtischen Pressemitteilung damals: "In dem Zeitraum schauen die Mobilitäts-Mitarbeiter:innen regelmäßig, wie viele Fahrräder auf ihnen abgestellt werden. Wird die Flunder gut genutzt, ist der Bedarf an festen Fahrradabstellplätzen hoch und fließt in die Verkehrsplanung ein." Der Ortwirkte angesichts der bekannten Speichenflut ein wenig kurios. Nachfrage, wurden die Dinger genutzt?

Antwort: "Die Fahrradflundern erfreuten sich am Bahnhof erwartungsgemäß einer hohen Auslastung. Hier sollte nicht der Bedarf ermittelt werden, denn der Bedarf ist am Bahnhof unstrittig. Wir hatten vielmehr die vorübergehend freie Fläche am Bahnhof genutzt, um die Flundern dort einzusetzen, bis feststand, an welchen Standorten in welchen Stadtteilen wir die Flundern zur Bedarfsermittlung nutzen möchten." Aha. Warum haben sich das die Mobilitätsexperten nicht früher überlegt?

Nun warten die Plattfische an der Wall- und an der Feldstraße auf abstellwillige Radler. Mal sehen, ob da Bedarf besteht. Carlo Eggeling

Die Fotos zeigen die Situation am Bahnhof und wie Täter vorgehen.



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