Betrieb läuft weiter — 270 Mitarbeiter betroffen
von Carlo Eggeling am 22.06.2023Erneut ist das Unternehmen Deerberg mit Standorten in Lüneburg und Velgen im Kreis Uelzen in schweres Fahrwasser geraten, die Geschäftsführung hat beim Amtsgericht Uelzen einen Insolvenzantrag gestellt. Betroffen sind davon rund 270 Mitarbeiter. Als vorläufigen Verwalter hat das Gericht den Restrukturierungsexperten Friedrich von Kaltenborn-Stachau aus der Kanzlei BRL in Hamburg bestellt. Der will den Betrieb fortführen. Der Hamburger, seit mehr als zwei Jahrzehnten im Geschäft, ist nicht zum ersten Mal in der Region tätigt. 2016 hatte er die Pleite und Abwicklung des Tiefkühlfischproduzenten Pickenpack begleitet.
Die Deerberg GmbH hat ihren Hauptsitz in Velgen, das Unternehmen produziert nach eigenen Angaben unter anderem "nachhaltige Damen-Mode" und bietet sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Deerberg setzt auf eigene Stores und den online-Handel. Als Grund für die Schieflage gibt der vorläufige Insolvenzverwalter "die inflationsbedingte generelle Konsumzurückhaltung und die weiteren Folgen des Ukraine-Krieges" an, beide Faktoren träfen die gesamte Branche.
Das Fachmagazin Textilwirtschaft berichtet, dass im ersten Quartal des Jahres hierzulande 27 Modehändler und fünf Modehersteller die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt hätten, das seien 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Bekannte Namen gehen durch die Medien, beispielsweise die Schuhändler Görtz und Reno.
In einer Erklärung des Verwalters heißt es: "Die Belegschaft wurde durch die Geschäftsführung und den vorläufigen Insolvenzverwalter in einer Mitarbeiterversammlung über den notwendigen Restrukturierungsschritt informiert. Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für die kommenden Monate gesichert. Das Geschäft der Deerberg GmbH läuft wie gehabt weiter, sämtliche Filialen sind geöffnet und auch online kann weiter wie gewohnt Ware bestellt werden." Insolvenzausfallgeld zahlt die Agentur für Arbeit in der Regel für drei Monate.
Deerberg war bereits 2014 in eine schwierige Situation geraten, auch damals hatte das Unternehmen Sanktionen gegen Russland als einen Grund dafür benannt. Firmengründer Stefan Deerberg hatte den Betrieb wieder auf Kurs gebracht, sich dann aber ein Jahr später zurückgezogen. Erneut wurde es schwierig, daher kehrte Deerberg im Herbst 2018 zurück. 2019 stieg Lars Buschbom als Investor und Geschäftsführer ein, veränderte einiges. 2020 galt die Umstrukturierung als erfolgreich abgeschlossen.
Stefan Deerberg ist inzwischen laut Verwalter nicht mehr am operativen Geschäft beteiligt, er ist Vorsitzender des Beirats. Die Frage, ob er sich nun an der Sanierung beteiligt, ließ ein Sprecher des Verwalters offen. Ebenso unbeantwortet bleibt die Frage, ob es stimmt, dass Deerbergs Liquiditätsprobleme dazu führen, dass man Schwierigkeiten habe, Material für die Herbstproduktion zu finanzieren. Zuletzt soll der Jahresumsatz des Unternehmens laut Medienberichten bei 60 Millionen Euro gelegen haben.
Deerberg sei bereits mit verschiedenen potenziellen Investoren in Kontakt. Dazu erklärt Rechtsanwalt Friedrich von Kaltenborn-Stachau: "Der vorinsolvenzlich eingeleitete Investorenprozess soll fortgesetzt werden. Gemeinsam mit der Deerberg-Geschäftsleitung bemühe ich mich um eine zügige Lösung zur Sanierung des Traditionsunternehmens Deerberg."
Der Betriebsrat hat sich Hilfe bei der auf Arbeitsrecht spezialisierten Lübecker Kanzlei TDR gesucht. Rechtsanwalt Mario Böttcher begleitet die Arbeitnehmervertreter in dem Verfahren, dabei geht es darum, die Interessen der Beschäftigten zum Beispiel bei Überstunden im Blick zu halten.
Stefan Deerberg und seine Frau gründeten das Unternehmen 1986. Es steht nach eigenen Angaben "für farbenfrohe, qualitativ hochwertige Mode, Schuhe und Wohntextilien aus natürlichen Materialien. Aktuell werden bereits 90 Prozent der textilen Sortimente aus ökologischen und recycelten und damit umweltschonenden Materialien hergestellt". Neben dem Online-Geschäft gibt es stationäre Läden am Firmensitz Velgen, in Oldenburg, Köln, Hannover, Münster und seit kurzem auch in Nürnberg. In Lüneburg hat Deerberg Liegenschaften im Gewerbegebiet am Hafen. Außerdem betreibt man Outlets in Flensburg und Büsum. Seit kurzem bietet Deerberg zudem auch Wäsche und Heimtextilien an. Carlo Eggeling
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