Beleidigungen und Gewalt sind alltäglich
von Carlo Eggeling am 09.01.2023Attacken gegen Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei an Silvester -- das Thema hat längst eine politische Dimension. Die Angriffe haben sicher eine besondere Qualität, doch Gewalt gegen Hilfskräfte gehört zu deren Alltag. Ich habe dazu meinen Sohn Max Eggeling befragt. Er ist Deeskalationstrainer und engagiert sich seit der Kindheit für die Lüneburger Feuerwehr, inzwischen auch als Zugführer und Einsatzleiter.
"Statt über Strafen zu diskutieren, sollten wir darüber reden, dass es eigentlich gar nicht erst zu Übergriffen kommt", sagt der 36-Jährige. "Jeden Tag werden Einsatzkräfte, bepöbelt, angespuckt oder geschlagen. Die Frage ist, warum drehen Leute durch und wie können sich Einsatzkräfte davor schützen?" Studien unter anderem der Feuerwehrunfallkasse würden belegen, dass ein Drittel der Helfer in unterschiedlicher Form attackiert worden seien.
"Wir können die Situation kontrollieren, nicht den Menschen." Er macht das an einem Beispiel fest. Die Feuerwehr sperrt eine Einsatzstelle ab. Auto- und Radfahrer kommen nicht durch: "Da hat jemand wenig Zeit, muss zur Arbeit, will zum Bahnhof oder einkaufen, kommt nicht weiter und reagiert aggressiv. Wenn ich da stehe und sage: 'Sie kommen hier nicht durch.', kann es die Lage verschärfen. Ich kann erklären: 'Da vorne ist ein Unfall, wir helfen. Hier können Sie nicht weiterkommen, aber Sie können die und die Route nehmen.'" Es gehe darum, eine Lösung anzubieten. Und klare, kurze Ansagen zu machen: "Es ist besser, Leuten zu sagen, was sie tun sollen, statt was sie lassen sollen, also: 'Hier können Sie nicht stehen, gehen Sie hinter die Absperrung.'"
All das stoße an Grenzen, um Gewalt zu verhindern, müsse man sich im Zweifel zurücknehmen. "Wenn sich jemand vornimmt, ein Fahrzeug zu plündern, den kann ich nicht deeskalieren. Das ist geplant.“ Und: „Eigenschutz geht vor!“ Da sei die Polizei gefordert. Die habe im Gegensatz zu Feuerwehr und Rettungsdienst eine andere Rolle: "Bei ihr liegt das Gewaltmonopol, sie darf eben auch Gewalt ausüben." Die Polizei, die ebenfalls mit Attacken zu kämpfen habe, gehe die Problematik mit eigenen Trainern und Programmen an.
Gleichwohl lehrt der kampfsporterfahrene Trainer in seinen Seminaren auch Befreiungs- und Abblocktechniken, um sich zu schützen, wenn es doch zu einem Übergriff kommt.
Aufgrund der Studien und eigener Erfahrungen geht Max Eggeling davon aus, dass es sich vor allem um ein "männliches Problem" handelt: Oft ständen sich junge Männer gegenüber, die sich in einer Situation hochschaukeln. Gerade deshalb sei es wichtig, dass den Helfern vermittelt werde, deeskalierend zu agieren: "Reden hilft, wenn es richtig gemacht wird."
Ob Kameraaufzeichnungen helfen, Übergriffe zu verhindern, bezweifelt Max Eggeling: "Ein Dashcam am Auto wird niemanden beeindrucken. Kann aber vielleicht bei der Aufklärung helfen.“
Strafverschärfungen und der Ruf nach Abschiebungen griffen zu kurz: "Zum einen besitzen die meisten Täter einen deutschen Pass und wer aufgepusht ist, dem ist egal, was irgendwann passiert. Das gilt gerade, wenn Alkohol oder Drogen im Spiel sind. Das ist in der Regel keine bewusste Entscheidung". Was Einsatzkräfte frustriere, sei viel mehr, dass in ihren Augen oftmals nichts passiere, wenn sie Täter anzeigen: "Deshalb zeigen viele Kollegen Vorfälle einfach gar nicht an."
Fazit: Das bestehende Strafrecht anwenden, Deeskalationstechniken für Einsatzkräfte und früh für die Helfer und deren Arbeit werben und junge Leute dafür gewinnen -- unabhängig von ihrer Herkunft. Carlo Eggeling
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