Anna-Lena Narewski liebt es liberal
von Carlo Eggeling am 06.01.2023Ihr war klar, dass sie keine Chance hatte. "Aber ich musste es ausprobieren, ich stehe zu den Zielen und Werten der Partei", sagt Anna Narewski. Sie trat bei der Landtagswahl im Herbst für die FDP an. Ein Direktmandat war unwahrscheinlich, ein Listenplatz ganz weit hinten, aussichtslos. Am Ende schafften es die Liberalen gar nicht mehr in den Landtag. Obendrein sacken sie bundesweit bei Zustimmungswerten durch. Es gäbe genug Gründe, etwas anderes zu machen als Politik für FDP.
Die 31-Jährige sieht es anders. Sie lebt in Kirchgellersen, selbstverständlich für sie, sich politisch in ihrem Dorf, in der Samtgemeide und im Kreistag zu engagieren. Das liege in der Familie, sagt sie: So tritt sie in die Stapfen ihrer Großmutter und hat den Ortsvereinsvorsitz beim Roten Kreuz übernommen. Der Opa macht bei der SPD mit. Landfrauen, da gehört sie auch dazu. Politik habe immer mit der Basis zu tun.
Wahrscheinlich hängt der Entschluss auch mit ihrer Rückkehr zusammen. Heimat bedeutet auch Verantwortung und Veränderung. Sie hat auf Bali, in Bangkok und auf Mallorca gelebt. Studium des Medien- und Kommunikationsmanagement. In Berlin habe sie sich 2018 entschlossen, in die FDP einzutreten. Es sei ein Abwägung gewesen, die CDU trage das C im Namen, beim Inhalt hapere es, bei der SPD sei unklar, wofür sie stehe, die Grüne? Es gebe mehr als nur den Klimawandel. Die Linke? Kann nicht passen, wenn Eigenverantwortung zum Selbstverständnis zählt. Gut, dass es alle gebe, die FDP stehe für "wirtschaftliches Denken".
Natürlich könne man mit den drei Mandaten im Kreistag alleine wenig bewegen: "Wir sind auf die Großen angewiesen, wenn wir Anträge stellen." Aber die anderen bräuchten eben auch Unterstützung -- verhandeln. So wie es Alltag in der Politik ist.
Anna Narewski gehört zu den jüngeren Gesichtern, die in der Partei einen Wandel begleiten -- und vielleicht künftig wichtige Positionen übernehmen. Der Generationswechsel ist auch be den anderen augenfällig: Die Grünen haben Pascal Mennen in den Landtag geschickt, bei der SPD steht Jakob Blankenburg, einer der jüngsten Bundestagsabgeordneten, für eine neue Führung. In der CDU hat Anna Bauseneick über einen Listenplatz den Einzug in den Landtag geschafft. Alle eint, dass sie viel unterwegs sind, in Organisationen, Unternehmen, bei Veranstaltungen. Alle kommen frischer daher als ihre Altvorderen.
In der FDP sind in Stadt und Kreis -- bis auf Frank Soldan -- alle mit Verantwortung unter 40. Vermutlich sind welche dabei, die mehr Verantwortung übernehmen möchten. Ganz sicher ist es bei Anna Narewski. Sie engagiert sich auf Landesebene, will wieder in den Vorstand der FDP, auch um bei der nächsten Landtagswahl einen besseren Listenplatz zu besetzen.
Für ihren Wahlkampf hatte sie sich drei Wochen Urlaub genommen. Sie hat sich anpflaumen lassen, als Parteichef und Finanzminister Lindner auf Sylt heiratete, das empfanden viele als Protz, es bediente das Bild der FDP als "Partei der Reichen". Sie sagt: "Ich habe gegengehalten und die Leute gefragt, wie sie denn geheiratet haben. Heirat ist Privatsache." Das hat natürlich nicht jeden überzeugt, vor allem nicht, wenn er eine kleine Rente bezieht und alle Kosten steigen.
Straßenwahlkampf schult aber eben auch, Widerspruch auszuhalten, auf Leute zuzugehen. Eine Lehre: "Vorsicht beim Händeschütteln, manche lassen nicht los und ziehen einen heran." Als junge Frau Politik zu machen, sei anders als für einen Mann: "Es fängt damit an, dass ich geduzt wurde. Es gibt Powerfrauen, zu Männern sagt das keiner, da wir Energie vorausgesetzt. Einen Familienvater fragt niemand, wie er Job und Kinder schafft, bei einer Frau mit drei Kindern ist das anders."
Sie lächelt. Sie will ihre Frau stehen. Ihr kommt zu pass, dass sie im Homeoffice arbeitet und sich ihre Arbeitszeit etwas freier einteilen kann. "Wenn es sein muss, arbeite ich die Stunden nachts nach." Zehn bis zwanzig Stunden pro Woche koste sie die Politik. Sie sieht es als Investition. Für sich, aber eben auch für die Menschen, für die sich einsetzen möchte. Sie hat zu tun. Carlo Eggeling
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